Herz des Winters (German Edition)
nichts Gutes bedeuten konnte. Schaudernd sah sie sich um, doch weder von anderen Nekromanten noch von Berekh war eine Spur zu sehen. Ebenso wenig wie von dem Eingang, durch den sie ins Moor hätte flüchten können. Alle Türen, die von hier aus fortführten, sahen identisch aus.
Ein Fluchtversuch wäre ohnehin vermutlich zum Scheitern verurteilt gewesen, denn die Eissplitter von Krajas Augen bohrten sich so plötzlich in Daena, dass ihr der Atem stockte. Der Blick, der auf ihr ruhte, war schwer zu deuten. Noch immer lag die mit Interesse gemischte Abscheu darin, die eine auf dem Labortisch festgesteckte Kakerlake heraufbeschwören mochte. Zugleich aber hatte sich etwas Neues eingeschlichen, sodass Daena sich fragen musste, was in den Stunden, die sie in der Schädelkammer verbracht hatte, vorgefallen war. Dann wandte die Nekromantin ihre Aufmerksamkeit wieder dem Fremden zu, und mit einem schmerzhaften Kribbeln kehrte die Wärme zurück in Daenas Körper.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine Bewegung und fuhr herum. Ein weiterer berobter Mann war aus einer der Türen erschienen. Dieser trug keine Kapuze, stattdessen hatte er den Bogen der Kämpferin um die Schulter geschlungen und hielt Dolch und Schwert in den Händen. Als er ihr beide Klingenwaffen mit den Knäufen voran entgegenhielt, war sie zu perplex, um anders zu reagieren, als der Instinkt gebot. Sie griff danach.
Mit neutralem Gesichtsausdruck wartete er, bis sie die Waffen eingesteckt und umgeschlungen hatte, und reichte ihr anschließend Bogen und Köcher. Ohne eine weitere Geste drehte er sich um und verschwand wieder – ob in dieselbe Tür, aus der er gekommen war, war schwer nachzuvollziehen.
Beinahe hätte sie beides wieder fallen gelassen, als sich die klamme Hand ihres Besuchers um ihr Handgelenk schloss. Er zog sie mit sanftem Druck voran, was ebenfalls eine instinktive Reaktion auslöste. Daena spreizte die Beine zum stabilen Stand. Den Kapuzenmann brachte sie dadurch beinahe zu Fall, da er mit einem Mal gegen einen Widerstand ankämpfte, mit dem er nicht gerechnet hatte.
Er fuhr herum und knurrte, ein Verhalten, das ihr mehr als bekannt vorkam. Als er diesmal zog, widersetzte sie sich nicht weiter. Unter Krajas kaltem, wortlosen Blick folgte sie ihm zu einer der zahllosen Wände. Beim Näherkommen begann diese unvermutet zu flimmern, bis sich dahinter ein dunkler, erdiger Gang abzeichnete.
Alleine hätte sie wohl ewig alle Türen durchprobiert. Auf die Idee, durch eine Wand zu laufen, wäre sie sicher nicht gekommen.
Die Kälte draußen traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie keuchte und wickelte sich mit ihrer freien Hand fester in ihren Mantel, dennoch war sie noch nie in ihrem Leben so froh gewesen, wieder an der frischen Luft zu sein. Der modrige Geruch des Sumpfes war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, in einer Leichenhalle eingesperrt zu sein, in der nicht einmal die Leichen sicher waren.
Sie wollte sich aus dem Griff ihres Führers befreien, doch der verstärkte eisern den Druck. Er hob das Gesicht zum Himmel, und als sie seinem Blick folgte, sah sie einen ganzen Schwarm von Raben und Krähen, die dort ihre Kreise zogen.
„Wir reden später“, knurrte er.
Daena hätte erwartet, dass seine Stimme aufgrund der neu gewachsenen Stimmbänder und des Kehlkopfes anders klingen würde, doch Berekhs tiefes Brummen war unverändert. Ebenfalls knurrend folgte sie ihm, allerdings nur so weit, wie es nötig war, um die Vögel hinter sich zurückzulassen. Dann wollte sie ihre bewährte Taktik einsetzen und stemmte die Füße in den Boden. Was einerseits auf weichem Untergrund weitaus besser funktionierte als auf glattem Marmorboden. Andererseits hatte Berekh aber auch offensichtlich damit gerechnet, dass sie die Kooperation verweigern würde, denn ihre Hand glitt einfach aus seiner Umklammerung.
Als hätte dieser Kontaktverlust ihn auch seiner Kraft beraubt, taumelte er nur noch einige wenige Schritte weiter, ehe er sich auf einen Felsen niederließ. Aber Daena hatte lange genug geschwiegen. Dem Stand der Sonne nach war mehr als ein Tag vergangen, seit sie das Moor betreten hatten. Stunden, die sie hungrig, wund, gedemütigt, verärgert und vor allem verängstigt verbracht hatte, und all das ohne die geringste Erklärung. In Summe bewirkten diese Umstände, dass sie mehr als nur wütend war.
„Warum in aller Welt hast du mir nicht gesagt, wohin wir unterwegs waren?“, fauchte sie ihn an.
„Hättest du mich dann
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