Herz des Winters (German Edition)
Tod geweiht.
Aber die Gedanken waren nun einmal frei.
***
In den folgenden Tagen rückte die Gruppe vor allem im Lager, aber auch während der Reise immer enger zusammen. Nicht, weil das Vertrauen zwischen ihnen gewachsen wäre, sondern aus der puren Notwendigkeit heraus, einander vor dem eisigen Wind abzuschirmen und Wärme zu spenden.
Berekh hielt zwar mittlerweile permanent einen Wärmezauber über ihnen aufrecht, aber auch ein Magier hatte nun einmal gewisse Grenzen der Möglichkeit, wenn er nicht auf die gesamte nähere Umwelt Einfluss nehmen wollte.
Dass er dazu inmitten der Gruppe reiten musste, trug auch nicht gerade zur allgemeinen Stimmung bei.
Der Schnee fiel immer dichter und machte so die Tage düsterer und das Vorankommen schwieriger. Zum Ärger von Sikaîls Truppe waren die Vakkas völlig in ihrem Element, so sehr, dass sie sogar Verfolgungsspiele untereinander veranstalteten und sich zwischendurch bemüßigt fühlten, die sich abplagenden Pferde anzutreiben.
Um aus dem Übermut der Vakkas einen Vorteil zu gewinnen und die Nerven der Pferde – und deren Reiter – zu schonen, ritt Daena immer wieder voraus, erkundete den Weg und hoffte, dass Berekh seinem Zauber nicht zu sehr einheizte. Denn gleichgültig, als wie nützlich er sich bereits erwiesen hatte, das Misstrauen ihm gegenüber hatte keine Spur abgenommen.
Das alles lief so lange gut, bis sie eines Tages um eine Biegung kam und sich einem Drachen gegenübersah. Genauer gesagt war es ein blassgrauer Lindwurm, dem die Kälte ganz und gar nicht zu behagen schien, denn er puffte ständig kleine Feuerwölkchen aus.
Als er Daena erblickte, stieß er ein tiefes Brüllen aus, das ihr Herz vibrieren und ihre Knochen scheppern ließ.
„Oh verdammt“, entfuhr es ihr. Sie zog an den Zügeln, um Yeke – oder Xoko – zum Wenden zu bringen, doch das sture Biest blähte nur interessiert die Nüstern und schnaubte, während der Lindwurm seinen massigen Leib näher schob. Daena erwog gerade die Chance, den Sprung von einem stehenden Vakka unverletzt genug zu überstehen, um die Flucht zu ergreifen – sollte sich das dumme Tier doch alleine fressen lassen – doch die dröhnende Stimme des Wurms ließ sie innehalten.
„He da, Menschling!“, rief er. „Wohin des Weges?“
Da es unratsam war, einem so alten Wesen Lügen aufzutischen, Daena aber aus Prinzip heraus niemandem trauen wollte, versuchte sie, sich an der Wahrheit entlang zu bewegen. Was angesichts der Tatsache, dass diese Straße nun einmal nur in zwei Richtungen führte und sie aus einer davon kam, ohnehin auf der Hand lag.
„Nach Norden!“, antwortete sie deshalb. „Weshalb fragst du?“
Wie es magischen Wesen nun einmal eigen ist, ignorierte er ihre Gegenfrage völlig. „Allein?“, polterte der Wurm.
Die Frage ließ ihr einen Kälteschauer über den Rücken laufen und Daena war froh, auf die Wahrheit zurückgreifen zu können. „Ich kundschafte nur den Weg aus“, erklärte sie mit einem Kopfschütteln. „Hinter mir kommen viele Männer. Kämpfer und Magier.“ Nun gut, viele war schließlich ein subjektiver Begriff, und zumindest sinngemäß bestand ihre Gruppe aus kampfbereiten Männern und einem Magier.
„Zieht ihr nach Rinnval?“
Sie musste ihrem Reittier einen Klaps auf die Stirn geben, da es dem beständig näher kommenden Lindwurm die Nase immer weiter entgegen streckte.
„Vorerst“, gab sie zu.
Der Drache kniff die roten Augen zusammen und musterte Daena von oben bis unten. Dann ließ er sein Maul aufklaffen und seine Zunge herausrollen, was sie unweigerlich zurückzucken ließ. Sie musste all ihre Willenskraft aufbringen, um die Hand nicht auf den Schwertknauf zu legen und den Gedanken, der immer wieder in ihrem Kopf hallte – „Ich hasse Echsen, ich hasse Echsen!“ – zurückzudrängen. Keinesfalls wollte sie ihn zu einem Angriff provozieren, auch wenn ihr die Möglichkeit, dieses Gespräch lebend zu beenden, immer unwahrscheinlicher erschien.
Der Lindwurm strich mit seiner gespaltenen Zunge nachdenklich über die Reihen scharfer Zähne. „Bist du das Menschlein, das die schwebende Stadt besucht hat?“, fragte er schließlich.
Nun, sie wusste weder, ob sie das Menschlein war, noch, woher ein Drache von ihrem Besuch in Liannon erfahren hätte sollen. Dennoch nickte sie widerwillig. Daraufhin hob er den gewaltigen Kopf und stieß mit einem ohrenbetäubenden Brüllen eine gewaltige Feuersäule in die Luft.
„Seit drei Tagen sitze ich hier und warte
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