Herz des Winters (German Edition)
krallend.
Sie packte ihre Waffe fester und spannte die Muskeln an, was Yeke nervös tänzeln ließ. Der grellweiße Blitz, der aus Berekhs Händen emporschoss, gab dem Vakka den Rest. Das sonst so gleichmütige Tier bäumte sich auf, warf sich herum und stürzte in den Wald, wodurch Daena unsanfte Bekanntschaft mit dem Schnee machte. Sofort sprang sie wieder auf, musste jedoch weiteren flüchtenden Pferden ausweichen, die blind vor Furcht in alle Richtungen davonstoben.
Über all dem tönten die Rufe der Söldner, das Kreischen der Morochai, Berekhs ausdauerndes Fluchen und ein dröhnendes Fauchen, das – so hoffte Daena – von Ozi stammte. Blitz um Blitz flog gleißend in den Himmel. Nahezu jeder traf sein Ziel, doch die getroffene Echse taumelte nur ein kurzes Stück zurück, um sofort erneut in den Sturzflug überzugehen. Gleich würden sie heran sein und mit dem Gemetzel beginnen.
Ein Pfeil sauste an Daenas Ohr vorbei. Er traf den vorderen Moroch genau an die schuppige, ungeschützte Schulter. Dort zersplitterte er, ohne auch nur einen Kratzer zu verursachen. Seinem Kurs ungehindert folgend, stürzte sich der Angreifer endlich auf den Zauberer, prallte dort jedoch gegen Daenas Klinge, die gefährlich vibrierte, zum Glück aber standhielt.
Sich plötzlich Auge in Auge mit der puren Mordlust des Reptils findend, zerbrach ein Stück ihres inneren Schutzwalles. Vernunft und Willkür machten Platz für Instinkt und Rage, die sich ihrer automatisierten Kampfbewegungen bedienten. Schlag um Schlag versetzte sie der Echse, deren Abwehr nicht durchbrechend, doch sie unerbittlich zurückdrängend. Nur noch der harte Klang von Stahl auf Klauen und Schuppen zählte, wie von selbst drehte und wand sich die Klinge, um zu parieren, zu schlagen und zu stechen. Daena folgte bloß nach.
Aus den Augenwinkeln sah sie Flammen züngeln, zu weit entfernt, um ihren Kampf zu beeinflussen. Eine Stimme rief einen Befehl und ihr Körper reagierte, noch ehe ihr Bewusstsein die Worte begriffen hatte. Aus der Bewegung heraus warf Daena sich nach unten, duckte sich unter dem Feuerstrahl hindurch, den Berekh auf ihren Gegner schleuderte, tauchte an der anderen Seite wieder auf und stieß der vor Schmerz brüllenden Echse die Klinge bis zum Heft in den aufgerissenen Rachen, ihre ungeschützten Finger nur Millimeter von den spitzen Zähnen entfernt.
Sie sah das Leben in den verhassten gelben Augen verlöschen, war jedoch unfähig, zu reagieren. Der leblose Körper sackte zusammen und begrub sie unter sich, presste ihr die Luft aus den Lungen und quetschte ihre Muskeln schmerzhaft zusammen.
***
Sechs Männer waren nötig, um den schweren Leichnam von Daena herunterzuschaffen. Ihre Augen waren glasig und weit vom Schock. Ihr Blick war starr auf das Blut gerichtet, das sie von oben bis unten bedeckte und das ringsum im Schnee versickerte. Man zog sie auf die Füße, aber es dauerte einen Moment, bis sich ihr Zittern so weit gelegt hatte, dass sie aus eigener Kraft stehen konnte.
Ihre bebenden Lippen wiederholten immer wieder dieselben wenigen Silben, doch Berekh musste sein Ohr beinahe schon an ihren Mund pressen, ehe er die Worte verstehen konnte. Mit gequältem Gesicht schlang er die Arme um sie und hielt sie fest, während er ihr in beruhigendem Tonfall wiederholt zuflüsterte: „Ich weiß, ist schon gut.“
„Was sagt sie?“, drängte Sikaîl.
„Es ist rot“, gab Berekh die Antwort, ohne von Daena aufzusehen, die sich mittlerweile in unartikuliertem Wimmern verloren hatte.
„Was soll das denn bedeuten?“, fragte einer der Männer. Ein junger Schustersohn, dessen bleiche Gesichtszüge verrieten, dass er seine ungeschickten Annäherungsversuche gegenüber der Kämpferin wohl zukünftig unterlassen würde.
„Sie meint das Blut, Bursche“, donnerte Ozlakzbrats Stimme herab.
„Wieso sollte es denn nicht rot sein?“
Nun sah der Magier doch auf, Eis in den Augen. „Je länger man etwas fürchtet, desto monströser wird es in der eigenen Erwartung. Und umso schwerer fällt es zu akzeptieren, dass auch diese Monster einem selbst ähneln, sei es auch nur in ihrer Sterblichkeit.“
***
Als die Dunkelheit hereinbrach, sammelte sich die Truppe, müde und halb erfroren. Die Vakkas waren nicht weit gelaufen, allerdings waren die Pferde einer irdischen wilden Jagd gleich durch den frostigen Wald gebrochen. Eines war dabei so unglücklich gestürzt, dass man es erlösen musste, drei andere blieben trotz aller Bemühungen
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