Herz des Winters (German Edition)
milderte oder sie sich nur allmählich daran gewohnt hatte – zumindest stundenweise bevorzugten sie ihre gegenseitige Gesellschaft, um sich gegen den Rest der Truppe zu verbünden.
„Hallo, Menschlein“, grüßte sie das Donnergrollen seiner Stimme, als sie herantrabte. „Haben dich deinesgleichen wieder vergrault?“
Daena seufzte nur entnervt. Nicht genug, dass Sikaîl ihr seit dem nächtlichen Gespräch nicht von der Seite weichen wollte und in seinen Versuchen, sie zu beeindrucken, immer aufdringlicher wurde. Sein penetrantes Getue schien das Interesse der übrigen Männer auf sie zu lenken und nebenbei Berekh in ein Pulverfass zu verwandeln, das sich ständig am Rand der Explosion befand. Was der ganze Aufruhr soll verstand sie nicht, sie hatte keinerlei Bedarf an Kindermädchen oder Beschützern. Dass sich die Gruppe aufführte wie eine Schar Halbwüchsiger vor einer Mutprobe, war allerdings verflucht lästig.
Unter ihren Füßen begann es zu rumpeln, sodass selbst Yeke ein kurzes, erschrockenes Blöken ausstieß. Daena benötigte einen Moment, bis sie in dem Erdbeben Ozis leises Lachen erkannte.
„Also wenn bei uns ein Männchen so unvorsichtig ist, ein Weibchen zu bedrängen oder zu verärgern, frisst sie ihn einfach auf.“ Bevor Daena etwas erwidern konnte, tauchte neben ihr das riesige Auge des Lindwurms auf und ließ seinen Blick bedeutungsvoll einmal an ihr auf-und niedergleiten. „Allerdings sind unsere Weibchen auch gut doppelt so groß wie wir.“
Nun musste auch Daena lachen. „Ich denke, ich würde zu gerne einmal eines kennen lernen.“
Ozi wiegte sein großes Haupt. „Das ist schwierig. Ich denke nicht, dass eine von ihnen kommen wird, um zu kämpfen.“
„Warum denn nicht? Wenn sie doch so groß sind ...“
„Glaubst du wirklich, nur auf die Größe kommt es an, kleines Menschlein?“ Er zwinkerte ihr zu. „Dann hast du den falschen Beruf ergriffen, denkst du nicht?“ Doch, das dachte sie, aber nicht aus diesem Grund. Der Lindwurm fuhr jedoch bereits fort. „Sie sind die Bewahrerinnen unseres Wissens, unserer Art. Das ist, was sie ausmacht, verstehst du? Ihr Wesen. Sie sind ...“
Abrupt hob er den Kopf, die Nüstern blähten sich in dem raschen Takt seiner Atemstöße und seine gespaltene Zunge zischte durch die Luft, als wäre sie ein eigenständiges Wesen. Daena erkannte eine alarmierte Kampfbereitschaft, wenn sie eine sah. Sie versuchte, möglichst wenige Geräusche zu verursachen und den schärferen Sinnen Ozlakzbrats den Vortritt zu lassen. Dieser Versuch wurde jedoch zunichtegemacht.
„Was ist denn los da vorne?“, rief einer der Männer.
Ehe jemand antworten oder gar zum Schweigen auffordern konnte, erscholl über ihnen ein heiseres Kreischen, das allen einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Zahlreiche Augen suchten den Himmel und die Bäume ab. Daena dagegen musste ihre Angreifer nicht sehen. Dieses Kreischen war nichts, das man so schnell vergaß.
Plötzlich war Berekh neben ihr, ohne dass sie hätte sagen können, wie er dort hingelangt war. „Geh in die Gruppe“, zischte er ihr zu.
Zu ihrer eigenen Verwunderung verschlang der Zorn ihre Angst. „Ich brauche keinen Beschützer!“, zischte sie zurück und zog ihr Schwert. Berekh wandte sich zu ihr um, den Mund zu einer Erwiderung geöffnet. Sie begegnete seinem Blick mit grimmiger Entschlossenheit, bereit, ihn als ersten Gegner zu handhaben.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, hereingelegt worden zu sein, als er einfach nur nickte. Vor allem, da er das zufriedene Lächeln nicht lange genug unterdrücken konnte, um sich bis dahin bereits wieder abgewandt zu haben.
Während sie nun doch auch nach oben spähte, hämmerte nur ein Gedanke immer und immer wieder in ihrem Kopf: Sie hätten nicht hier sein dürfen.
Wenn Berekhs Theorie bezüglich ihrer Kälteempfindlichkeit gestimmt hätte, hätten die Morochai nicht hier sein dürfen.
***
Es waren nur zwei der geflügelten Echsen – ein Spähtrupp und keine Angriffseinheit. Trotzdem hatte Daena bei ihrem Anblick Mühe, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Ein Teil von ihr wünschte, sie hätte sich inmitten der Truppe verkrochen, die Hände um den Kopf geschlungen und darauf gewartet, dass es vorüberging. Aber die Männer würden ihr keinen Schutz bieten, und es würden nicht bloße Hiebe sein, die sie erdulden würde müssen. In ihr glomm die absolute Gewissheit, dass es ihr Tod war, der da auf ledernen Schwingen herabstieß, kreischend und
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