Herz im Zwiespalt (German Edition)
trieb. Auch wenn George sie nicht ein einziges Mal besucht hatte, war es für Isabella sehr wichtig gewesen, den Anschein aufrecht zu erhalten. Sie hatte absichtlich wilde Gerüchte in die Welt gesetzt.
»Glaubst du wirklich, George würde das zulassen? Er wird mich niemals gehen lassen«, versuchte Isabella ihr die Luft aus den Segeln zu nehmen.
Lizzys Stimme war schrill vor Zorn. Sie hatte keine Ahnung, was ihr abtrünniger Ehemann unternehmen würde, und es war ihr auch herzlich egal. Sie brauchte eine Genugtuung. Sie brauchte einen Sieg, und zwar jetzt gleich!
»Nach einer Woche am Pranger wirst du dich selbst nicht mehr erkennen, und glaub mir, weder George noch irgendein anderer Mann würde dich noch eines Blickes würdigen. Wer will schon ein kahlköpfiges Flittchen?«
»Das würdest du nicht wagen«, kreischte Isabella entsetzt.
Lizz bedachte sie mit demselben beleidigenden Blick, wie Isabella es zuvor mit ihr gemacht hatte. »Ich bin die Ehefrau des Douglasoberhauptes. Wer, glaubst du, könnte mich davon abhalten?«
Isabella blickte Hilfe suchend zu William, doch dieser stellte sich demonstrativ neben Lizz.
»Reize niemals ein Mäuschen, es könnte sich in eine Löwin verwandeln.«
Tief beschämt wandte sich Isabella ab. »Ich werde George berichten, wie Ihr mich gedemütigt habt. Dafür wird er Euch bestrafen.«
»Zwei Tage«, rief Lizz ihr nach. Das hatte gut getan.
Lizz wandte sich mit einem triumphierenden Lächeln um und errötete verlegen, als sie die grinsenden Gesichter ringsum sah, allen voran die liebe Nan. Sie klopfte sich anerkennend auf die Schenkel. »Das wurde aber auch Zeit, Kindchen.«
Lizzys Hochgefühl schwand, als sie die Tür zu ihren Räumen schloss. Sie war allein und fühlte sich todunglücklich. Sie wollte in George keinen üblen Meuchelmörder sehen. Sie konnte es einfach nicht. Obwohl alle Beweise gegen ihn sprachen, weigerte sich ihr Herz nach wie vor, daran zu glauben. Ich vermisse dich, Kätzchen. Lizz holte zittrig Atem. Er hatte so ehrlich geklungen.
»Großer Gott, Lizz! Er will dich umbringen!«, schalt sie sich selbst. Aber was, wenn nicht? Was, wenn jemand anderes dahinter steckte? Lord Hamilton zum Beispiel? Er war es schließlich gewesen, der den Verdacht auf George gelenkt hatte. Oder auch Isabella. Sie würde am meisten von ihrem Tod profitieren.
Leise Hoffnung ließ Lizzys Herz schneller schlagen. Nachdenklich schritt sie im Zimmer auf und ab. Sie brauchte einen Beweis. Irgendetwas, was George in ihren Augen entlastete. Er befand sich seit dem Morgengrauen an der Grenze, erinnerte sie sich. Nein, das reichte nicht aus. Er konnte sich genauso gut irgendwo in der Burg verborgen halten. Sie brauchte etwas Handfesteres. Lizz fühlte, wie der Trübsinn von ihr abfiel und ein Gefühl von prickelnder Aufregung ihren Körper erfasste.
»Das ist es«, rief sie erfreut.
Rasch eilte sie zu ihrem Nachttischchen und holte den Drohbrief der letzten Nacht heraus. Sie würde die Handschriften vergleichen. Mehr Beweise benötigte sie nicht.
Sie schlich sich in Georges Arbeitszimmer und suchte hektisch seinen Schreibtisch ab. Irgendwo musste doch ein Schriftstück sein, das von Georges Hand geschrieben war. Die meisten Briefe stammten jedoch von den Verwaltern der verschiedenen Burgen des Clansherrn. Endlich fand sie ein Rechenbuch, in dem ein kurzer Brief mit Georges Unterschrift lag. Sie zog ihn mit zitternden Fingern hervor und überflog die wenigen Zeilen.
Im nächsten Moment füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie ließ sich kraftlos in den Sessel hinter ihr fallen. Leises Schluchzen drang über ihre Lippen.
Drei Dinge wusste sie nun mit Bestimmtheit. Erstens: George besaß mit Abstand die unleserlichste Schrift, die sie jemals gesehen hatte. Zweitens: Die gradlinigen, mit fester Hand geschwungenen Buchstaben hatten absolut nichts mit der akribisch genauen Schrift auf dem Drohbrief gemein. Und drittens: George benötigte dringend Hilfe bei seiner Korrespondenz. Hier lagen Briefe, die bereits vor Wochen hätten beantwortet werden müssen.
Lizz schloss vor Erleichterung die Augen. Dies war der Beweis, den sie zu finden gehofft hatte. George war es nicht, der ihr nach dem Leben trachtete. Er war unschuldig.
Als sie sich gerade erheben wollte, fiel ihr Blick auf das Siegel des Königs. Der Brief lag unter einem der Rechenbücher verborgen und weckte augenblicklich Lizzys Neugierde. War dies die Antwort auf Georges Gesuch um die Scheidung? Sie fühlte sich wie
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