Herz im Zwiespalt (German Edition)
Hamilton Tag und Nacht bewacht wurde, gab es auch sonst keinerlei unangenehme Überraschungen mehr. Es war, als würden die Dinge nun endlich ihren rechten Lauf nehmen.
Zumindest die meisten. Leider waren sie den Ganoven noch immer nicht auf die Spur gekommen. Lizz kramte das Wachsstück aus ihrer Rocktasche. Es war der einzige Hinweis, den sie in Bezug auf den Mörder von Pater Ignatius besaßen. Wie Robert vermutet hatte, war der arme Geistliche mit einem schweren Kerzenleuchter erschlagen worden. Lizz erschauderte, als sie an den Schauplatz des Verbrechens zurückdachte. George, Robert und sie waren gleich nach ihrem Gespräch in die Kapelle geeilt, um sich dort umzusehen. Glücklicherweise war der Leichnam des Paters bereits hinausgetragen worden. Dennoch hatte eine dunkle Blutlache auf den Steinfliesen vor dem Altar verraten, wo sich das Grauen zugetragen hatte. Die dicken Wachstropfen rundherum hatten davon gezeugt, dass die Kerzen noch gebrannt hatten, als der Leuchter sein Opfer tödlich getroffen hatte. Vermutlich wäre ihnen nichts Ungewöhnliches an diesem Anblick aufgefallen, wenn Georges geschärftes Auge nicht auf etwas gestoßen wäre. Lizz betrachtete den Wachsklumpen eingehender. Deutlich war der Abdruck eines Siegelrings zu sehen – eine Rose, die sich um ein Schwert rankte. Der Mörder musste sich nach seiner schrecklichen Tat über den Pater gebeugt haben, um sich von dessen Tod zu überzeugen. Dabei hatte er sich vermutlich im weichen Wachs abgestützt und so seine Visitenkarte hinterlassen. Es war wirklich zum Verrücktwerden. Lizz kannte dieses Motiv, sie war sich ganz sicher, doch es wollte ihr partout nicht einfallen, woher. Ihr erster Verdacht hatte sich leider nicht bestätigt. Obwohl die Rose mit Lord Hamiltons Siegelring übereinstimmte, befand sich dummerweise kein Schwert in seinem Familienwappen. Es war in der Tat äußerst ärgerlich.
Plötzlich rang Lizz heftig nach Atem, als sich ihr Magen vor Übelkeit zu überschlagen drohte. Sie schloss rasch die Augen und konzentrierte sich aufs Luftholen. Mittlerweile wusste sie, was in diesem Fall zu tun war. Nach wenigen Sekunden war der Spuk wieder vorbei und ein glückliches Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie zärtlich an ihr kleines Geheimnis dachte. Natürlich war es noch etwas früh, um wirklich Gewissheit zu haben, dennoch zweifelte sie keine Sekunde daran. Sie trug Georges Kind unter dem Herzen.
Nun hast du aber lange genug getrödelt, schalt sie sich selbst. Heute war schließlich Waschtag und da wurde jede helfende Hand gebraucht. Sie eilte die steilen Stufen hinunter und prallte um ein Haar mit Mary zusammen, die gerade mit einem Korb schmutziger Tischtücher aus der Küche trat.
»Mary, du sollst doch nicht so schwer tragen«, tadelte sie ihre hochschwangere Zofe vorsichtig. Seit einigen Tagen neigte das Mädchen nämlich dazu, wegen jeder Kleinigkeit in Tränen auszubrechen.
Lizz packte mit an und gemeinsam schleppten sie die Wäsche über den Burghof.
»Lady Douglas, was für ein Segen, dass ich Euch treffe«, begrüßte Pater Rudolpho sie freundlich und eilte ihr schwerfällig entgegen. Seine imposante Leibesfülle zeugte nicht gerade von einem Leben in Abstinenz. Er war in den mittleren Jahren und mit seinem quirligen Schnauzbärtchen und den buschigen Augenbrauen erinnerte er Lizz stark an einen Seelöwen. Pater Rudolpho war der neue Priester auf Tantallon Castle. Wenige Tage nach Pater Ignatius‘ Beerdigung war er vom nahen Kloster gesandt worden, um für das Seelenheil der Burgbewohner zu sorgen.
»Pater Rudolpho, was kann ich für Euch tun?«, erkundigte sie sich freundlich und stellte den Wäschekorb ab. »Ihr hinkt ja. Seid Ihr verletzt?«
»Die Gicht, Lady Douglas. Ab und an fährt sie mir ins Bein.« Er deutete viel sagend gen Himmel. »Ihr wisst ja. Wen Gott liebt, den prüft er. Aber ein warmes Schwefelbad wirkt manchmal Wunder.«
Lizz nickte zustimmend. Das erklärte auch diesen seltsamen Geruch, der ihm stets anhaftete.
Er senkte demütig die Augen. »Ich wollte mit Euch die Abendmesse besprechen, Lady Douglas. Wäre es Euch recht, wenn ich sie in Gedenken an Pater Ignatius gestalte?«
»Das ist eine wundervolle Idee«, stimmte Lizz ehrlich erfreut zu.
»Dann soll es so sein. Übrigens, ich nehme heute Nachmittag die Beichte ab. Falls Ihr etwas auf dem Herzen habt, Lady Douglas, seid Ihr natürlich jederzeit willkommen.« Er verneigte sich ehrerbietig und hinkte davon.
Mary pfiff leise durch die
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