Herz im Zwiespalt (German Edition)
klopfte in einem beunruhigenden Rhythmus, und sie trat erneut einen kleinen Schritt zurück, ganz so, als könnte sie dadurch seiner männlichen Anziehungskraft entkommen.
»Ihr seid der ›schwarze Ritter‹!«, erkannte Lizz überrascht.
George verneigte sich galant. »Sehr scharfsichtig von dir. Ich gratuliere.«
Sein Hohn stachelte ihren Unmut an. »Nun, die Barden, die Eure ritterlichen Taten besingen, haben nie ein Wort darüber verlauten lassen, dass Ihr nachts unschuldigen Frauen auflauert«, beschied Lizz spitz.
Seine Lippen verzogen sich zu einem kühnen Lächeln. »Vermutlich kommt es daher, dass nur wenige Frauen dumm genug sind, sich nachts in Ställen herum-zuschleichen.«
»Das hat wohl kaum etwas mit mangelnder Intelligenz zu tun«, gab Lizz empört zurück und stemmte aufgebracht die Hände in die Hüften. Sie war nämlich ausgesprochen stolz auf ihre Bildung. Sie beherrschte vier Sprachen in Wort und Schrift...
»Nein, es zeugt wohl eher von mangelndem Menschenverstand«, sinnierte der Fremde weiter.
Lizz reckte kämpferisch das Kinn. »Ach, und Ihr besitzt wohl beides im Übermaß, nicht wahr? Dann könnt Ihr mir sicher auch erklären, weshalb Ihr Euch mitten in der Nacht in diesem Stall herumtreibt und ...« Ihre Stirn legte sich verwundert in Falten. »... und weshalb Ihr Eure Wunde nicht ordnungsgemäß versorgt.«
Sein Lächeln raubte ihr beinahe den Atem.
»Ich war gerade dabei, als du mich mit der Heugabel attackieren wolltest.«
»Sie diente lediglich zu meinem Schutz. Außerdem hättet Ihr auch antworten können, als ich nach Euch rief«, verteidigte sich Lizz vehement.
»Das schien mir nicht unbedingt angebracht«, erklärte er schlicht.
Vermutlich war er überzeugt, dass sie laut kreischend ins Gasthaus zurückgerannt wäre, erkannte Lizz.
»Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest ...« Er wandte sich ab und holte einen kleinen Lederbeutel aus seinem Versteck. Dann riss er sich mit einem heftigen Ruck den blut durchtränkten Ärmel vom Hemd ab. Lizz starrte ihn wie gebannt an. Stahlharte, sehnige Muskeln unter straffer Haut traten zum Vorschein. Kein Wunder, dass sie keine Chance bei seinem Angriff gehabt hatte. Bestimmt konnte es niemand mit dieser geballten Kraft aufnehmen, fuhr es ihr durch den Kopf.
Lizz wusste, dass sie jetzt eigentlich gehen sollte. Margarete könnte ihr dafür bestimmt mindestens hundert Gründe aufzählen. Dennoch rührte Lizz sich nicht von der Stelle, sondern beobachtete fasziniert, wie der Fremde sich setzte, Verbandsstoffe aus dem Lederbeutel fischte und sich ans Säubern der Wunde machte. Er tat dies mit einer Sorgfalt, die Lizz seltsam tief berührte. Wie oft mochte er sich schon in irgendeinem stinkenden Stall versteckt haben, um seine Verletzungen zu versorgen – Wunden, die er weder für Ruhm noch für Geld, sondern für die Gerechtigkeit Schottlands in Kauf nahm? O ja, sie hatte schon viel von diesem Mann gehört. Er war ein Held. Eine Legende – und einsam, so schien es ihr.
Ohne zu überlegen, trat Lizz an ihn heran und nahm ihm sanft den Tiegel mit der Salbe aus der Hand.
George blickte erstaunt auf die junge Frau nieder, die sich schweigend neben ihn gekniet hatte und vorsichtig Salbe auf die Wundränder seiner Verletzung auftrug. Ihre fein geschnittenen Gesichtszüge spiegelten Mitgefühl und etwas, das verdächtig nach Trauer aussah, aber auch nach einer Art stilles Verstehen.
Ein eigenartiges Gefühl von Trost und Wärme erfüllte seine Brust. Er beobachtete sie eingehend, während sie mit geschickten Händen den Verband anlegte.
Sie war schön, gestand er sich ein. Ihre Haut schimmerte im trüben Stalllicht wie kostbarstes Elfenbein. Die großen, ausdrucksstarken Augen standen leicht schräg und ihre vollen, weichen Lippen wirkten auf eine erregende Weise sowohl einladend als auch unschuldig. Ihr Haar hatte sich beim Kampf gelöst und lag nun wie ein schwerer, dunkler Schleier über ihrem Rücken. Es juckte ihn in den Fingerspitzen, seine Hände in diese seidige Haarflut zu graben.
»Fertig«, verkündete Lizz und steckte den Korken wieder auf den Tiegel.
»Ich glaube nicht, dass die Wunde kauterisiert werden muss. Sie scheint mir nicht allzu tief.« Sie packte alles wieder in den Lederbeutel und reichte ihm diesen.
»Wenn Ihr mich fragt, finde ich es sowieso barbarisch, jemandem ein glühendes Eisen auf eine Wunde zu drücken ...«
»Ja, das ist es wohl«, bestätigte George mit rauer Stimme und zog Lizz mit sich hoch.
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