Herz in Fesseln
bewiesen, dass sie ihm vertrauen konnte. Sie wusste, dass eine Beziehung mit ihm nie möglich sein würde, wenn sie ihm nicht von ihrem Stiefvater erzählte, und jetzt war sie bereit, ihm die Wahrheit zu sagen.
„Ich weiß, dass es noch sehr früh ist, aber ich muss dringend mit dir reden“, begann sie mutig, als Damon ihr die Tür öffnete, doch dann hielt sie erschrocken inne.
Er sah schrecklich aus.
Sein Gesicht war aschfahl und schien um Jahre gealtert zu sein. Sein grauer Geschäftsanzug saß makellos, aber die dunklen Bartschatten verrieten, dass er noch nicht dazu gekommen war, sich zu rasieren.
„Ich muss sofort nach Athen zurück“, teilte er ihr kurz angebunden mit und eilte mit großen Schritten in sein Schlafzimmer, während er in knappem Tonfall auf Griechisch in sein Handy sprach.
Sobald er das Telefonat beendet hatte, drehte er sich zu Anna um, die noch immer unschlüssig im Türrahmen stand. „Tut mir leid, aber es ist ein Notfall eingetreten. In den nächsten Stunden geht kein regulärer Flug, also musste ich einen Privatjet bestellen.“ Er warf einen Stapel Hemden in seine Reisetasche und zog den Reißverschluss zu. Nach einem letzten Blick durch den Raum griff er nach seinem Jackett, hängte sich die Tasche über die Schulter und ging zur Tür.
Als Anna keine Anstalten machte, beiseitezutreten, runzelte er die Stirn. „Ich rufe dich an“, versprach er ihr zerstreut, doch erst, als sie ihm die Hand auf den Arm legte, schien er sie wirklich wahrzunehmen.
„Was ist denn passiert, Damon?“, fragte sie bestürzt. „Kann ich dir irgendwie helfen?“
Er atmete tief durch, als müsse er sich zur Geduld zwingen. „Es gibt nichts, was du tun könntest, Anna. Es hat in Griechenland einen Unfall gegeben, aber inzwischen ist alles unter Kontrolle. Ich muss nur so schnell wie möglich nach Hause.“
„Aber … wer hat denn den Unfall gehabt?“ Anna verstand nicht, warum er ein Geheimnis daraus machte. „Ist es jemand aus deiner Familie oder …“, sie verstummte abrupt, als ihr ein erschreckender Gedanke kam. „Hast du eine Freundin in Griechenland, der etwas zugestoßen ist? Willst du mir deswegen nichts sagen?“
Damon stieß hörbar die Luft aus. „Hörst du eigentlich nie auf, immer nur das Schlechteste von mir anzunehmen?“, entgegnete er gereizt. „Ich habe weder in Griechenland noch woanders eine Freundin.“
„Warum sagst du mir dann nicht, was los ist? Ich dachte, wir wären Freunde, Damon. Da wirst du es mir doch erzählen können.“
Einen Moment lang schien es, als würde er nicht antworten. Mit versteinerter Miene blickte er starr vor sich hin, dann hob er den Kopf, um Anna anzusehen. „Meine Toch ter Ianthe ist von ihrem Fahrrad gestürzt und mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert worden“, eröffnete er ihr in ausdruckslosem Tonfall. „Deswegen muss ich sofort zurück.“
Ein lähmendes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, während Anna versuchte, die schockierende Nachricht zu verdauen.
„Du hast eine Tochter?“, brachte sie schließlich hervor. „Aber wann …“, sie schluckte hart und schüttelte wie benommen den Kopf. „Ich verstehe nicht, wie …“
„Es ist ganz einfach“, unterbrach Damon sie ungeduldig. „Ianthe ist zehn Monate vor Elenis Tod zur Welt gekommen.“ Der verstörte Ausdruck in Annas Augen schnitt ihm ins Herz, aber für langatmige Erklärungen hatte er keine Zeit. Nervös fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar und fügte etwas sanfter hinzu: „Ich weiß, dass das Ganze ein ziemlicher Schock für dich sein muss, pedhaki mou, aber ich muss jetzt wirklich gehen. Sobald ich kann, rufe ich dich an, und dann sprechen wir in aller Ruhe darüber.“
„Das ist nicht nötig. Nach dem, was ich gehört habe, erübrigt sich jedes weitere Gespräch.“
„Sei nicht albern.“ Schon halb zum Gehen gewandt, verharrte Damon in der Bewegung und musterte besorgt Annas Gesicht, aus dem alles Blut gewichen war. „Natürlich werden wir reden, aber du musst verstehen, dass Ianthe jetzt meine erste Priorität ist.“
„Sie sollte immer deine erste Priorität sein!“, erwiderte Anna scharf. „Sie ist erst acht Jahre alt, und du hast sie allein in Griechenland zurückgelassen, um zu versuchen, mich ins Bett zu bekommen. Was für ein Vater bist du eigentlich?“
Nun wurde Damon ebenfalls ärgerlich. „Ich habe sie keineswegs allein zurückgelassen“, stellte er nachdrücklich fest. „Ianthe ist bei meiner
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