Herz in Gefahr (German Edition)
Matthew. Aber es dauerte noch eine ganze Zeit, ehe eine mitleidige Seele neben dem Verwundeten anhielt.Ein Ritter, der sich mit seiner gestickten Satteldecke als Spross eines Lords aus dem Norden auswies, zügelte neben Warthorpe sein Pferd.
»Seid Ihr schwer verwundet?«, fragte er. »Könnt Ihr allein reiten, oder soll ich Euch auf mein Pferd nehmen?«
»Helft mir nur beim Aufsteigen und weist mir den Weg zum Feldscher«, bat Matthew schwach. Er hatte viel Blut verloren und fühlte sich so erschöpft und müde, als hätte er den ganzen Tag schwere Feldarbeit geleistet.
Der Ritter stieg aus dem Sattel und half Matthew auf seinen mächtigen Hengst. Warthorpe wollte mit beiden Händen nach den Zügeln greifen, doch der Schmerz durchzuckte seinen linken Arm wie ein Blitzschlag. Der Hengst, der sehr wohl spürte, dass sein Herr die Gewalt über ihn verloren hatte, tänzelte auf den Hinterhufen, sodass Matthew alle Mühe hatte, sich mit einer Hand im Sattel zu halten. Der Ritter aus dem Norden hatte inzwischen sein Pferd wieder bestiegen und beobachtete, wie Warthorpe mit seinem Hengst kämpfte und wie auch die Kräfte des Mannes immer mehr nachließen.
»Werft mir die Zügel rüber!«, rief er hilfsbereit. »Ich führe Euer Pferd und bringe Euch sicher zum Wundarzt.«
Matthew tat wie ihm geheißen, und wenig später lag er auf dem Boden eines großen Zeltes und ließ sich seine Wunde vom Feldscher säubern und verbinden.
»Ihr müsst den Arm schonen. Ihr dürft ihn in den nächsten Tagen nicht bewegen«, erklärte der Arzt. »Viel Blut habt Ihr verloren, und die Wunde sieht böse aus. Leicht kann sie sich entzünden, und Ihr kriegt den Wundbrand. Hört, was ich Euch sage: Bleibt noch für zwei, drei Tage hier im Lager, ehe Ihr zu Eurer Truppe oder wohin auch immer reitet. Und nun trinkt dies, eswird Euch beruhigen und zu einem gesunden Schlaf verhelfen.«
Gehorsam trank Matthew den Becher leer, dann drehte er sich auf die Seite, zog eine alte Pferdedecke über sich und war, erschöpft von den Schmerzen und der Anstrengung, schon wenige Augenblicke später eingeschlafen.
Auch die Gauklertruppe mit Helen und Robin hatte inzwischen London erreicht. Der Sieg der Yorkisten war bereits in aller Munde, und die Schenken und Hurenhäuser der Stadt füllten sich mit Soldaten.
Robin ritt neben Funbird hinter dem Planwagen durch das Stadttor von London. Aufgrund des regen Gedränges ließ der Torwächter sie ungehindert passieren, und Robin konnte seinen Ablassbrief zurück unter sein Wams stecken, ohne jemandem eine Erklärung schuldig zu sein. Sie kamen nur sehr langsam voran. Immer wieder mussten sie Reitern ausweichen, die es nach der Schlacht eilig hatten, ihren Sieg zu feiern. So manche Bewohner der Stadt hatten sich am Straßenrand eingefunden und jubelten den siegreichen Kämpfern zu. Mädchen warfen den tapferen Rittern Blumen zu, Spielleute hatten ihre Instrumente ausgepackt, Straßenhändler boten lauthals ihre Waren feil, Straßendirnen suchten aufmerksam nach Kundschaft. Es herrschte eine Stimmung wie auf dem Jahrmarkt. Der Sieg der Yorkisten hatte sich in ein Volksfest verwandelt. Selbst ein zerlumpter Reliquienverkäufer, der vorgab, Originalsplitter der Arche Noah und einen Faden von der echten schwarzen Augustinerkutte des Heiligen Thomas anzubieten, fand reißenden Absatz.
Robin und Funbird hatten Mühe, sich bei dem Gedränge nicht aus den Augen zu verlieren. Sie ritten dicht nebeneinander her und hielten sich nahe bei dem Planwagen.
Die beiden Männer hatten sich auf der kurzen Reise nach London bereits miteinander angefreundet. So unterschiedlich sie auch von Herkunft, Bildung und Charakter waren, so verbunden fühlten sie sich, wenn sie ihre Gedanken austauschten. Wenn sie auch nicht die gleiche Sprache gebrauchten, so schwangen ihre Herzen doch im selben Takt. Beide Männer waren furchtlos, mutig, der Wahrheit verbunden und hatten schon so manchen Schicksalsschlag einstecken müssen. Erst im vergangenen Jahr hatte Funbird seine Frau, die als Drahtseiltänzerin in der Truppe gearbeitete hatte, verloren und mit ihr auch seinen kleinen Sohn. Funbird kannte sich also damit aus, Verluste zu ertragen. Schnell hatten sie Vertrauen zueinander gefunden, und seit dem Tag zuvor wusste der Gaukler nun auch, wer Robin und Helen wirklich waren, was sie erlebt hatten und wen sie suchten.
»Ich werde dir helfen, so gut ich es vermag«, hatte Funbird abends am Lagerfeuer versprochen. »Verfüge über mich und
Weitere Kostenlose Bücher