Herz in Gefahr (German Edition)
war unter denen, die für das Haus York unter dem Banner der weißen Rose in den Kampf gezogen waren. Er hatte es nicht geschafft, nach London zu reiten und sich dort ohne viel Aufsehen nach Frankreich einzuschiffen. Nur wenige Meilen vor der Stadt ergriffen ihn die Häscher des Yorkschen Heeres und zwangen ihn, zu den Waffen zu greifen. Doch wie schon in Frankreich vor nunmehr zwei Jahren, bei der legendären Schlacht um Castillon, bei der das englische Heer in Stücke gerissen worden war und der Earl of Clifford sein Leben lassen musste, so hielt sich Warthorpe auch heute abseits des Kampfgetümmels. Er hatte nur ein Ziel: unversehrt die Schlacht zu überstehen und im allgemeinen Durcheinander nach dem Kampf zum nächsten Hafen zu gelangen. Er hatte inzwischen die Möglichkeit, in London auf ein Schiff zu gelangen, verworfen. Denn gleichgültig, wer den Kampf zu seinen Gunsten entscheiden konnte, die Stadtwürde hinterher aus allen Nähten platzen. Wer immer der Sieger sein mochte, er würde ruhmreich in London einziehen. Wie leicht konnte man dort auf jemanden treffen, dem man unter keinen Umständen begegnen wollte! Die Männer, die hier bei St. Albans kämpften, hatten Blut gerochen. Sie waren hart und unerbittlich und würden wahrhaftig nicht viel Federlesens mit einem machen, der grundlos einen kleinen Jungen getötet hatte. Bloomfield ist nicht dumm, dachte Warthorpe. Sicher hat er bereits erfahren, dass ich mein Manor verlassen habe. Er wird mir seine Leute nachgehetzt haben.
Matthew beschloss also, bei der nächstbesten Gelegenheit nach Beendigung der Schlacht nach Dover zu reiten und von dort aus auf den Kontinent zu entkommen. Doch noch musste er hier ausharren, wollte er nicht als Deserteur hingerichtet werden. Er ritt ein Stück aus dem größten Getümmel heraus, um etwas abseits auf das Ende des Kampfes zu warten. Ein unachtsamer Augenblick, in dem Matthew nach seinem Weinschlauch griff, den er über den Hals seines Pferdes gelegt hatte, genügte. Ein Angreifer aus dem Lancasterheer erspähte den feindlichen Ritter, der sich feige an den Rand des Schlachtfeldes zurückziehen wollte. Mit angelegter Lanze galoppierte er auf Warthorpe zu und stieß ihn mit aller Kraft vom Pferd. Dann ritt er hastig davon. Matthew stürzte wie betäubt zu Boden, ehe er der qualvollen Schmerzen in seinem linken Arm gewahr wurde. Vorsichtig tastete er mit der Hand nach der verletzten Stelle und fühlte warmes klebriges Blut zwischen den Maschen des Kettenhemdes hervorquellen. Behutsam versuchte er, den schmerzenden Arm zu bewegen, doch vergeblich. Der ungeheure Schlag mit der Lanze hatte sein Schlüsselbein gebrochen, und die stählerne Lanzenspitze eine riesige, blutende Fleischwunde im Oberarm hinterlassen. Mühsam rappelteWarthorpe sich hoch und hielt nach seinem Pferd Ausschau. Mit dem rechten Arm den linken, verletzten haltend und leise stöhnend, stolperte er über den Kampfplatz.
Plötzlich machte eine Nachricht die Runde unter den Kämpfern. Der Duke of Somerset, Erzrivale Richard von Yorks, sei gefallen, hieß es. Jubelnd rissen die Yorkisten die Arme hoch und feierten das siegreiche Ende der Schlacht. Wenig später erreichten weitere Neuigkeiten das Heer der Yorkisten. Nun hieß es, dass es den Yorkisten sogar gelungen war, König Heinrich VI. gefangen zu nehmen, der nicht als Kämpfer, sondern vielmehr als hilfloser Zuschauer am Kampfgeschehen teilgenommen hatte und dabei durch einen verirrten Pfeil am Halse verwundet worden war. Die Schlacht bei St. Albans war beendet, das Heer unter dem Feldzeichen der weißen Rose hatte den Sieg errungen.
Auch Matthew vernahm diese Nachrichten. Aufatmend ließ er sich neben seinem Pferd, das still auf einem Stück Weideland graste, fallen. Die jubelnden, siegreichen Yorkisten zogen an ihm vorüber, ohne ihm Beachtung zu schenken. Matthew hielt noch immer die Hand auf die blutende Wunde gepresst, doch der rote Lebenssaft quoll unverändert schnell zwischen seinen Fingern hervor. Sein ganzes Kettenhemd war blutverschmiert, und Matthew verspürte unbändigen Durst. Ich muss zum Feldscher. Ein Arzt muss meine Wunde versorgen, ehe sie vom Brand befallen wird und niemand mir mehr helfen kann, dachte er. Matthew spürte, wie seine Kräfte allmählich schwanden.
»Kameraden, Kameraden, so helft mir doch!«, rief er den Vorbeireitenden zu. »Ich bin verletzt! Bringt mich zum Wundarzt!« Doch niemand kümmerte sich um ihn. »Helft mir, so helft mir doch! Ich verblute!«, flehte
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