Herz in Gefahr (German Edition)
ruhig«, sprach Margaret flüsternd auf die Tiere ein. Durch einen Spalt in der Stallwand beobachtete sie, wie der Torwächter seine Runde machte. Als der Mann mit seiner Fackel am Stall- und Wohngebäude vorbei gegangen war und sich anschickte, den Burggarten an der Rückseite zu kontrollieren, schlug die Glocke der Dorfkirche gerade Mitternacht. Margaret musste sich beeilen, wenn sie rechtzeitig zum Morgengrauen wieder zurück sein wollte.
Sie ging zu einer Schimmelstute, trenste und sattelte das Pferd und zog es leise aus dem Stall. Das Geräusch der eisenbeschlagenen Hufe klang auf dem gepflasterten Hof wie Donnerschläge. Aufmerksam sah Margaret zum Wohngebäude. Nichts regte sich. Sie atmete auf. Dann schwang sie sich behände auf den Rücken des Pferdes und ritt durch das Torhaus und über die Felder davon.
Als sie weit genug von der Burg entfernt war, trieb sie die Stute zum schnellen Galopp an. Margaret ritt über die Äcker und Weiden, sodass ihr Umhang hinterihr herflog wie die Flügel eines großen, schwarzen Vogels. Silbernes Mondlicht, das kalt und gespenstisch vom Himmel schien, erleuchtete ihr den Weg. Sie erreichte den Wald und dirigierte den Schimmel durch das Dickicht. Als sie auf der kleinen Lichtung angekommen war, auf der das Unglück am Vormittag seinen schrecklichen Verlauf genommen hatte, hielt sie kurz inne und bekreuzigte sich. Plötzlich schrie ein Waldkauz auf, und Margaret erschrak. »Wenn ein Waldkauz schreit, stirbt ein Mensch«, flüsterte sie leise vor sich hin. »Es ist die Seele eines Verdammten, dem der Himmel verschlossen ist, und die sich im Ruf des Käuzchens Luft schafft.« Sie sah sich nach dem Vogel um, doch sie konnte nichts erkennen. Die Lichtung lag schwarz, unheilvoll und totenstill vor ihr. »Margaret, du siehst schon Gespenster!«, ermahnte sie sich. Dann ritt sie weiter. Schon bald hatte sie den Wald hinter sich gelassen. Vor ihr lagen die blühenden Weiden, die zum Bloomfieldschen Besitz gehörten. Sie galoppierte darüber hinweg, als sei ihr der Teufel auf den Fersen. Sie gönnte sich keine Pause, keine Rast und hielt erst inne, als vor ihr das Herrenhaus von Bloomfield auftauchte. Auch hier war kein Laut zu hören, kein Schimmer von Kerzenlicht zu sehen. Die Bewohner von Bloomfield schliefen den Schlaf der Gerechten.
Margaret stieg vom Pferd, band es an einem Haken der Stallwand fest und dachte nach. Sie musste Robin Bloomfield wecken, doch so, dass die Dienerschaft nichts davon bemerkte. Mit leisen Schritten ging sie auf die Tür des Hauses zu und atmete erleichtert auf. Die Tür war unverschlossen und gab mit einem knarrenden Geräusch nach. Margaret schlüpfte durch den schmalen Spalt und befand sich in der Wohnhalle. Sie blieb für einen Moment stehen, damit sich ihre Augen an die Finsternis gewöhnen konnten. Dann nahm sie einen Kienspan aus einem Korb, der neben dem Kohlenbecken stand, entzündete eine Kerze in einem kunstvoll gearbeiteten Eisenleuchter und sah sich um. Von der Halle aus führte eine Treppe hinauf in das Obergeschoss, und Margaret vermutete, dass auch auf Bloomfield die Schlafkammern dort zu finden waren. Sie schlich sich die Treppe hinauf, ängstlich bemüht, jedes Geräusch zu vermeiden. Oben angekommen, öffnete sie die erste Tür und spähte vorsichtig hinein. Doch sie sah nur ein leeres Bett und eine Kleidertruhe, die mit geöffnetem Deckel dastand und einen leichten Geruch nach Lavendel ausströmte. Leise schloss Margaret die Kammer und schlich zur nächsten Tür. Sie legte ihr Ohr an das glatt geschliffene Holz und lauschte. Es schien ihr, als hätte sie die ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge eines Schlafenden vernommen. Mit äußerster Vorsicht öffnete sie auch diese Tür und sah in den Raum hinein. Eine schwarze Katze mit Augen, die selbst in der tiefen Dunkelheit glühten wie Kohlestücke, sprang ihr laut fauchend entgegen. Margaret wich zurück, und schlug die Hand vor den Mund, um nicht vor Schreck laut aufzuschreien. Das Herz schlug ihr bis zum Halse und drohte zu zerspringen. Es war nur eine harmlose Katze, beschwor Margaret sich und zwang sich, ruhig und tief durchzuatmen. Bereits nach wenigen Augenblicken hatte sie sich jedoch wieder so weit gefangen, dass sie die Suche nach Robins Schlafgemach erneut aufnehmen konnte. Sie ging behutsam zur nächsten Tür und öffnete diese leise. Diesmal hatte sie Glück. Sie trat an Lord Bloomfields Bett und betrachtete den Schlafenden. Sein Gesicht zeigte den friedlichen Ausdruck
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