Herz in Gefahr (German Edition)
zeigte über dem Herzen ein rotes Feuermal, das vorher nicht da gewesen sein soll. Es sieht aus wie der Fußabdruck des Teufels. Die Leute im Dorf sind überzeugt, dass eine Hexe in der Gegend ihr Unwesen treibt. Überdies häufen sich in der letzten Zeit Todesfälle bei den Schafen, die sich auch niemand erklären kann. Kerngesunde Tiere winden sich plötzlich in zuckenden Krämpfen und sterben schließlich qualvoll. Die Dorfbewohner haben Angst. Sie glauben, dass sie verflucht worden seien und verlangen von Euch, dass ihr diesem Spuk ein Ende bereitet, die Hexe ausfindig und unschädlich macht.«
»Meint Ihr nicht, dass sich die Leute von alleine wieder beruhigen?« »Nein, Mylord. Es scheint jemanden unter ihnen zu geben, der sie aufwiegelt. Auch der Tod Eures Sohnes wird mit Hexerei erklärt. Ihr müsst etwas unternehmen, bevor Unschuldige zu Schaden kommen.«
»Gut, Rittmeister. Ich werde darüber nachdenken. Doch nun geht!«, befahl Lord Waterhouse und wandte sich wieder dem Gespräch mit dem Geistlichen und dem Verwalter zu.
»Wenn der Earl of Clifford morgen Nachmittag hier ankommt, dann können wir übermorgen meinen Sohn zu Grabe tragen. Pater, bereitet alles für die Seelenmesse meines Jungen vor und sorgt dafür, dass die Beerdigung reibungslos vonstatten gehen kann. Und macht Euch auch Gedanken über den Hexenspuk im Dorf.« Dann wandte er sich an den Verwalter. »Und Ihr lasstdie Gästezimmer vorbereiten und trefft Anweisungen, ein gutes Totenmahl auszurichten. Und nun geht, geht beide, ich habe noch zu tun.«
Der Lord blieb allein in der Halle zurück und dachte über Helen nach. Er hatte seine Tochter seit dem Abend, an dem sie in Ohnmacht gefallen war, nur einmal ganz kurz gesehen und ihr Aussehen bereitete ihm Sorgen. Helen wirkte so durchscheinend blass, als wäre sie vielmehr ein Geist als ein Mensch. Ihre einst so anmutigen Bewegungen schienen seltsam hölzern und starr, wie bei einer Marionette. Und auch ihr Gesicht war ohne jede Regung geblieben. Helen war abwesend und teilnahmslos wie es nur eine Tote sein konnte. Ja, genauso kam sie ihm vor: wie eine Tote. Alles Leben schien aus ihr gewichen zu sein. Sie sprach kein Wort, zeigte nicht das mindeste Lächeln, und keine Ansprache, keine Berührung vermochten es, in die fremde Welt zu dringen, in die sie sich geflüchtet hatte. Der Lord spürte, dass Helen sich weigerte, diesen Ort zu verlassen. Er seufzte. Wenn ich ihr nur helfen könnte, dachte er. Wenn ich sie erlösen könnte! Was würde ich dafür geben, wenigstens Helen glücklich zu sehen. Doch er wusste tief in seinem Innersten, dass es nur einen gab, der seine Tochter aus ihrer seltsamen Erstarrung befreien konnte: Lord Robin Bloomfield. Der alte Mann ahnte längst, dass der Hass, den seine Tochter gegen den vermeintlichen Mörder ihres Bruders hegte, nur eine andere Form von Liebe war: grausamer, leidvoller und ohne jede Aussicht auf Erfüllung. Sie wollte ihn tot sehen, damit auch die Liebe in ihrem Herzen endlich sterben und betrauert werden konnte. Erst dann war für Helen ein neues Leben möglich. Sie muss lernen, ihn zu vergessen, dachte Waterhouse, je schneller, desto besser. Vielleicht kann ich ihr wenigstens dabei helfen.
Dann rief er nach der Kinderfrau, die kurz darauf vorihrem Herrn erschien. »Wie geht es Helen heute, Margaret?«, fragte er.
»Unverändert, Mylord. Sie isst nicht, schläft nicht, spricht nicht, sie sitzt nur da und starrt schweigend vor sich hin.«
»Nun denn. Wir können wohl im Augenblick nichts für sie tun«, sagte der Lord.
»Nein, ich glaube nicht. Sie muss allein über Andrews Tod und Robins Verschwinden hinwegkommen«, antwortete Margaret.
»Kümmere du dich um sie, falls sie doch einen Wunsch äußert. Seit ihrer Kindheit warst du für sie da. Sie vertraut dir. Doch vorher bitte ich dich, ins Dorf zu gehen und dem Totengräber, dem alten William, Bescheid zu geben, dass er sich für übermorgen bereithalten soll, um meinem Sohn einen letzten Dienst zu erweisen. Außerdem soll im Dorf eine Hexe ihr Unwesen treiben. Sieh zu, dass du auch darüber etwas in Erfahrung bringen kannst. Die Frauen kennen dich als Heilkundige und werden dir freimütig Rede und Antwort stehen.«
»Jawohl, Herr. Ich werde sofort aufbrechen«, antwortete die Kinderfrau.
Sie ging in ihre Kammer, warf sich den Umhang über und machte sich auf den Weg ins Dorf. Sie war schon länger als eine halbe Stunde gegangen, als endlich die erste Hütte vor ihr auftauchte. Ein
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