Herz in Gefahr (German Edition)
die Hände, um ihnen zu zeigen, dass sie wehrlos war. Dann ging sie langsam auf sie zu und rief: »Wer hat Euch das erzählt?« Doch die Frauen verstanden ihre Worte nicht. Sie gingen im allgemeinen Gebrüll unter, dass nun noch stärker anschwoll. Die Frauen schrien hysterisch und wichen vor ihr zurück, als hätte sie die Pest.
»Seht, sie verflucht uns! Schnell, bringt Weihwasser, damit wir ihren Bann von uns waschen können!«
Einige sanken auf die Knie, hoben die Hände zum Himmel und beteten laut zur Jungfrau Maria.
»Heilige Mutter Gottes, nimm diesen Fluch von uns. Schütze und behüte uns unsere Männer, Kinder und das Vieh vor dem Bösen in dieser Frau.«
Dann rannten sie davon, als sei ihnen der Teufel leibhaftig auf den Fersen. Margaret stand da, Heß hilflos die Arme hängen und begriff noch immer nicht, was soeben geschehen war. Hatten die Frauen sie nicht erkannt? Sie mit einer anderen verwechselt? So musste es gewesen sein. Anders ließ sich diese Szene absolut nicht erklären.
Sie beschloss, bei nächster Gelegenheit mit Pater Gregor über den Vorfall zu sprechen. Vielleicht wusste er, was in die Frauen gefahren war. Zumindest aber konnte er den Mönch, der im Dorf die Gottesdienste abhielt, bitten, die Bewohner zu ermahnen und zur Einkehr aufzurufen. Margaret ging weiter durch das Dorf, um zur Hütte des Totengräbers zu gelangen. Doch vor jedeKate, an der sie vorbeikam, wurde nun in Windeseile ein Reisigbesen gestellt, der ja bekanntlich vor Hexen, bösen Feen und anderen Dämonen schützen sollte. Die Kinder wurden von der Straße gezerrt, die Türen zugeschlagen. Das Dorf lag wie ausgestorben vor ihr. Keine Menschenseele war mehr zu sehen. Nur hinter den Fenstern, die mit ölgetränktem Pergament bespannt waren, sah man einige Schatten hin- und herhuschen. Die Menschen mieden sie, ihre Reaktionen waren eindeutig. Was war hier nur geschehen? Wer hatte hier seine Hand im Spiel?
Margaret hatte den kleinen Platz vor der Kirche erreicht. Eine alte Frau, die die Kirche für gewöhnlich putzte, kam in geduckter Haltung auf die Kinderfrau zu. Margaret blieb stehen und sah der Alten entgegen. Als diese sich ihr bis auf wenige Schritte genähert hatte, griff sie plötzlich unter ihr Kleid und zog eine kleine blasse Scheibe hervor, die Margaret bei näherer Betrachtung als geweihte Hostie erkannte. Die Alte hielt die Hostie vor sich wie ein Schwert und schrie kreischend: »Weiche, Satan! Kehre zurück in die Hölle! Weiche, Satan!«
Margaret machte einen Schritt nach vorn auf die Alte zu, die jedoch zurückwich, sich schließlich umdrehte, die Hostie fallen ließ und wie gehetzt auf die sichere Kirchentür zurannte. Die Tür fiel ins Schloss, und Margaret hörte, wie von innen der Riegel vorgeschoben wurde.
Allmählich beschlich sie starkes Unbehagen. Es war nicht ungefährlich, in dieser Zeit eine ›Hexe‹ genannt zu werden. Und die plötzliche Furcht, die ihr überall begegnete, bekümmerte sie. Margaret schüttelte sich, als würden dadurch auch die Beschimpfungen von ihr abfallen. Sie lief weiter und trat dabei unabsichtlich die geweihte Hostie, welche die alte Frau verloren hatte, mit ihrem Absatz in den Staub.
Endlich hatte sie die Hütte des Totengräbers erreicht. Der alte William begrüßte Margaret so freundlich wie eh und je.
»Die Frauen im Dorf halten mich für eine Hexe. Habt Ihr davon gehört?«
William nickte. Er spuckte aus, dann sagte er: »Hirngespinste, alles Hirngespinste. Die Leute sind dumm und langweilen sich. Den ganzen Tag über arbeiten sie schwer, doch ihren Verstand gebrauchen sie nicht. Sie suchen die Schuld für ihr Unglück gern bei anderen. So brauchen sie nicht über sich selbst nachzudenken, vorausgesetzt, sie wären überhaupt dazu in der Lage. Die schwerste Last, die wir in diesem Leben zu tragen haben, ist die Verantwortung für uns selbst.«
»Ihr sprecht kluge Worte. Doch könnt Ihr mir auch sagen, wer die guten Leute glauben gemacht hat, ihr Unglück komme von mir?«
»Es war vor zwei Tagen. Die Männer fanden sich wie immer abends in der Schankstube ein, um ihr Ale zu trinken. Ein Edler kam hinzu, setzte sich zu ihnen und redete davon, dass es Menschen gebe, die meinten, besser zu sein als andere. Da der Herrgott ihnen jedoch Reichtum und Macht verwehrt habe, hätten sie ihre Seele dem Teufel verschrieben, der ihnen als Gegenleistung das Wettermachen, das Verzaubern von Mensch und Vieh und andere Bosheiten beigebracht habe. Nur diejenigen, die viel
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