Herz in Gefahr
musste an Prudence denken, und so riss sie sich mühsam zusammen. “Hast du schon von Admiral Nelson gehört?”
“Nein”, antwortete er knapp. “Ich habe aufgehört, auf Wunder zu hoffen.”
“Vielleicht hast du überhaupt aufgehört zu hoffen?” Judith verlor die Beherrschung, als ihr Kummer und ihre Wut zu groß wurden. “Du enttäuschst mich, Dan! Warum kämpfst du nicht für das, was du willst? Geh nach Merton! Sprich mit dem Admiral! Was hast du zu verlieren?” Sie sah ihn mit blitzenden Augen an und stellte fest, dass er lächelte.
“So ist es schon besser”, sagte er leise. “Wie ich sehe, hast du deinen Kampfgeist nicht verloren.”
“Und du?”
“Judith, ich habe jahrelang versucht, meine eigenen Entwürfe anzubringen …”
“Dann versuch es eben wieder! Oh, wenn ich ein Mann wäre, würde ich mich nicht so leicht entmutigen lassen. Versprich mir, dass du Lord Nelson besuchen wirst!”
“Frieden!”, flehte er und wich in gespieltem Entsetzen zurück. “Ich verspreche, dir zu gehorchen. Und wenn mir mein Leben lieb ist, bleibt mir auch nichts anderes übrig.”
Judith konnte nicht ahnen, dass er sowieso schon entschlossen gewesen war, nach Merton zu gehen. Er musste alles in seiner Macht Stehende versuchen, und ihm blieb keine Zeit.
Als er Judith vorschlug, sie möge sich Zeit lassen, hatte er die schwache Hoffnung gehegt, in der Zwischenzeit endlich zu Erfolg zu kommen. Mit der sicheren Karriere eines Schiffbauers vor Augen, würde er so hart arbeiten, bis sein Ruf der beste war.
Schon viele Männer hatten es auf anderen Gebieten geschafft und hatten einen ebenso schlechten Start gehabt wie er. Sir Christopher Wren hatte große Teile Londons nach dem Großen Feuer wieder aufgebaut, und Inigo Jones hatte seine Karriere als Lehrjunge bei einem Schreiner begonnen. Ein sehr bescheidener Anfang für einen Mann, dessen Genie in der Architektur man jetzt allgemein anerkannte.
Wenn sie es geschafft hatten, dann konnte auch er es, aber er brauchte Zeit, und die wurde knapp. Er konnte nur beten, dass sie die Hochzeit vielleicht doch noch hinausschieben würde. Wenn dann alles gut ging, würde er wieder um sie werben. Vielleicht war alles nur ein Traum, aber er konnte hoffen. Die Art, wie sie ihn voller Temperament gescholten hatte, zeigte ihm, dass ihr immer noch sehr wichtig war, was aus ihm wurde.
Doch trotzdem durfte er nicht so grausam sein und Erwartungen bei ihr wecken. Er nahm Judiths Hand und küsste sie.
“Wollen wir wieder Freunde sein?”
In diesem Moment betrat Sebastian den Raum. Auf seine übliche wohlerzogene Art ließ er sich nicht die geringste Überraschung darüber anmerken, Dan und Judith hier allein vorzufinden.
“Dan hat dich also überredet, uns zu besuchen?”, sagte er mit einem Lächeln. “Meine Liebe, du bist meine Retterin. Prudence wird entzückt sein.”
Prudence lag im Bett und drehte die Seiten ihres Buches auf eine Art um, die deutlich zeigte, wie wenig ihr Interesse gefesselt wurde. Wie immer herrlich frisiert, trug sie ihr Haar hochgesteckt und mit einem Band, passend zu ihrem bestickten moosgrünen Negligé, umschlungen.
“Meine Liebe, du siehst wunderschön aus!”, rief Judith. “Wie fühlst du dich?”
“Wie ein Fass”, sagte Prudence gefühlvoll. “Ich frage mich, ob ich jemals wieder meine Zehen sehen werde.”
“Nichts ist sicherer als das”, warf Sebastian trocken ein und küsste seine Frau. “Mein Liebling, ihr beiden werdet sehr viel zu besprechen haben. Macht es dir etwas aus, wenn ich euch Dan für einige Minuten entführe?”
“Geheimnisse?” Prudence warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. “Dürfen wir später davon erfahren?”
“Alles zu seiner Zeit.” Er nickte Dan zu, und beide Männer schlossen die Tür hinter sich.
Prudence lächelte. “Ich fürchte, ich habe einen recht grausamen Gatten, Judith. Ein paar nette kleine Geheimnisse wären eine willkommene Abwechslung gewesen. Aber jetzt habe ich deine Gesellschaft, also beschwere ich mich nicht.”
“Es ist eine sehr schwierige Zeit für dich”, sagte Judith mitfühlend. “Kann ich etwas tun, um es dir bequemer zu machen?”
“Das Kissen in meinem Rücken ist heruntergerutscht. Wenn du es ein bisschen …” Prudence mühte sich, sich aufrechter hinzusetzen.
Nachdem Judith ihr geholfen hatte, hielt Prudence ihre Hand fest und lächelte sie dankbar an. “Kannst du ein wenig bleiben?”
“Natürlich. Wenn du möchtest.”
“Oh ja. Du bist ein so
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