Herz in Gefahr
ruhiger Mensch. Du machst kein Theater um mich oder machst mich wahnsinnig mit dummen Fragen.” Sie seufzte. “Ich bin nicht krank, Judith”, setzte sie mit einem müden Lächeln hinzu. “Aber ich habe Tausende von Dingen zu erledigen. Es ist unerträglich, gezwungen zu sein, untätig im Bett zu liegen und nur daran zu denken.”
“Dann tue es nicht.” Judith hatte einen Einfall. “Du könntest mir einen Gefallen tun, indem du einfach daliegst und zuhörst. Ich hätte gern deine Ansicht über … mein Buch.”
“Dein Buch?” Prudence starrte sie begeistert an. “Du schreibst tatsächlich ein Buch? Oh, meine Liebe, wie wundervoll! Wir haben dir schon immer dazu geraten. Hast du es bei dir?”
Judith lachte. “Es ist nicht so wundervoll, dass ich es andauernd bei mir tragen sollte, aber heute habe ich zufällig einige Kapitel dabei. Natürlich habe ich sonst zu niemandem darüber gesprochen …”
“Keine Sorge! Dein Geheimnis ist sicher bei mir. Ich muss sagen, dass ich mich geschmeichelt fühle, die Erste zu sein, die du um ihre Meinung bittest.”
“Ich verschwende vielleicht nur meine Zeit”, sagte Judith ernst. “Ich bin nicht der beste Richter meiner eigenen Arbeit. Dan haben die ersten Kapitel gut gefallen, aber es kann sein, dass er mich einfach ermutigen will. Ich hoffe nur, dass ich dich nicht damit ermüden werde.”
“Ach, Judith, du bist ein Gottesgeschenk! Bitte lies, ich flehe dich an.”
Judith holte ihr Manuskript aus dem Retikül und blätterte darin, bis sie das Kapitel fand, das ihr am meisten gefallen hatte. Dann begann sie mit ihrer klaren, schönen Stimme vorzulesen.
Prudence sagte zunächst nichts. Nach einer Weile hörte Judith ein Kichern. Ermutigt fuhr sie fort, bis das Kichern ein amüsiertes Lachen wurde.
“Judith, ich werde dich nie wieder zu einer meiner Gesellschaften einladen, du hinterhältiges Geschöpf! Du sitzt da, als ob du kein Wässerchen trüben könntest, und dabei siehst du uns allen ins Herz, als ob wir aus Glas wären.”
“War ich zu grausam? Ich wollte keine bestimmte Person anklagen. Es ist nur so, dass ich manchmal fühle, die vornehme Gesellschaft sei nichts als der Schaum auf der kochenden Suppe. Sollte man uns abschöpfen, wäre es kein großer Verlust.”
“Sag das nicht, Judith!” Prudence wurde ernst. “Außergewöhnliches erscheint manchmal in der seltsamsten Verkleidung. Nimm nur den Prinzregenten. Er ist extravagant, selbstherrlich, fast sicher ein Bigamist und ein wankelmütiger Freund. Doch bedenke bloß seine Vorzüge! Er ist das erste Mitglied der königlichen Familie seit Jahrhunderten, das sich zutiefst für die Belange der Kultur interessiert.”
“Ja, aber …”
“Sein Einfluss wird in der gesamten Gesellschaft spürbar. Sieh dich nur um, nicht nur in diesem Haus, sondern überall. Hast du je solch meisterhafte Möbelstücke gesehen, solch feinen Geschmack in der Mode? Und die Lebensweise – du wirst nicht abstreiten wollen, dass sie zivilisiert ist?”
“Natürlich nicht, aber reicht das?”
“Nein, das tut es nicht!” Prudence seufzte tief auf. “Warum glaubst du, fällt mir meine Untätigkeit so schwer? Ich kann die Not, die uns umgibt, nicht vergessen. In den Wollspinnereien im Norden hatte ich einen Anfang gemacht und die Bedingungen verbessert, besonders für die Kinder. Aber jetzt fühle ich mich so hilflos.”
“Du wirst dein Werk fortführen, Prudence. Ich wünschte, ich könnte dasselbe von mir behaupten.”
“Dann ist es also deswegen … Vergib mir, wenn ich indiskret bin, aber wir haben uns alle gewundert, warum du einen Geistlichen heiraten wolltest.”
“Ich hoffe, ich kann mich als nützlich erweisen”, sagte Judith ernst. “Prudence, ich weiß, dass du Charles Truscott nicht magst, aber du kennst ihn nicht. Er möchte sein Leben dem Dienst an seinen Mitmenschen widmen.”
Diese ehrlich empfundene Ansicht wurde zur gleichen Zeit in der Bibliothek ganz und gar nicht geteilt.
“Hast du Neuigkeiten?” Dan hatte sich kaum so lange beherrschen können, bis er und Sebastian außer Hörweite der Dienerschaft waren.
“Ja, es hat Entwicklungen gegeben. Ich habe unseren Bow Street Runner in einem Kaffeehaus getroffen.” Sebastian warf Dan einen strengen Blick zu. “Du wirst dies natürlich für dich behalten.”
“Natürlich! Aber sag schon, was geschehen ist …”
“Truscott ist in die Gegend von St. Giles zurückgekehrt. Er verbrachte die Nacht in einem gewissen Haus. Und als er es
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