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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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ich das getan hatte. Dann fragte ich mich eine lange Weile gar nichts mehr.
     

If I had a hammer
     
    sang ich im Schlaf und rätselte, warum ich das tat, als ich erwachte. Zuerst vermutete ich, dass es mit dem schmerzhaften Pochen hinter meinen Augen zu tun hatte, aber dann hörte ich das Klopfen an meiner Tür. Verdammt, was war jetzt wieder passiert? Ich zog meinen Arm vorsichtig unter Judiths nacktem Körper hervor und suchte nach einem Shirt und einer Shorts. Als ich vorsichtig aufstand, klopfte mein Kopf in einem unschönen Rhythmus, der an Abrissarbeiten denken ließ. ErzEngel hatte uns sicherlich heute Nacht gehört und stand aus purer Diskretion deshalb nicht schon vor dem Bett. Aber dass sie hinaufkam und klopfte, war kein gutes Zeichen. Ich fand Judiths T-Shirt und meine Shorts, zog beides über und schlich leise zur Tür. Es klopfte wieder. Hoffentlich waren das nicht wieder schlechte Nachrichten. Ich öffnete die Tür leise und schaute in einen großen Strauß Wiesenblumen.
     
    »Für dich du Langschläferin.« Irene strahlte mich an, wie nur Irene strahlen konnte. »Die Haustür war offen und deine Mutter scheint unterwegs zu sein.«
     
    »Ja«, sagte ich, blinzelte in ihr helles Lachen und mein Magen machte eine absurde Drehbewegung, die ich nur von den kreischend bunten Jahrmarktkarussells kannte.
     
    Wenn ErzEngel zurückkam, würde ich sie erwürgen. Oder dafür sorgen, dass mein Bruder sie für ein langes Wochenende zu sich einlud.
     
    »Alles in Ordnung?« Irene sah mich besorgt an. Wir standen immer noch in der halb geöffneten Tür und ich hatte weder Anstalten gemacht, sie hineinzubitten, noch, ihr die Blumen abzunehmen. Hinter meiner Stirn wurde weiterhin ein mehrstöckiger Betonbau von Presslufthämmern zum Einsturz gebracht.
     
    »Du bist schon wieder da?« Ich übte mich im Offensichtlichen und bemühte mich, die bunten Getränke, die übereifrig in die Höhe gluckerten, wieder in den Magen zu verbannen.
     
    »Kannst du das glauben? Bei Marcus’ Cousine haben die Wehen gestern Abend drei Wochen zu früh eingesetzt und als wir ankamen, waren alle schon im Krankenhaus. Wir sind direkt wieder zurückgefahren. Ist ja nicht so weit.«
     
    »Nein«, sagte ich und sah auf die wunderschönen Blumen und auf diese wunderschöne Frau. Da standen wir im hellen Licht, sie so ahnungslos fröhlich und ich so verkatert und zerküsst, mit einstürzenden Altbauten im Kopf und grünen Getränken in der Speiseröhre.
     
    Ich fürchte, ich liebe dich, wollte ich flüstern, weil ich das wirklich mehr fürchtete als alles andere, und das hier doch ein perfekter Moment war, um es ihr zu sagen. Hinter mir rauschte die Toilettenspülung und Judith erschien zerzaust und spärlich bekleidet in meinem Augenwinkel.
     
    Und nicht nur in meinem.
     
    »Oh«, sagte Irene, trat einen Schritt zurück und ihr linkes Auge zuckte eigenartigerweise in dem Rhythmus, in dem mein Kopf klopfte.
     
    »Das ist Judith«, sagte ich höflich, als ob wir alle Gäste auf einer Party waren und uns gerade am Kartoffelsalat getroffen hatten.
     
    »Ok.« Sagte Irene und jetzt zuckte auch ihr rechtes Auge. Mir war jetzt wirklich schlecht.
     
    Ich wollte sie an mich ziehen und ihr die zuckenden Augen zuhalten oder zuküssen, ich wollte die letzte Nacht ungeschehen machen und es ihr sagen …
     
    »Irene, ich …«
     
    Sie legte mir ihren Zeigefinger kurz auf die Lippen, drückte mir die Blumen in die Hand, drehte sich um und ging.
     
    Ich stand wie einbetoniert in der Tür und schaute Irene hinterher, bis Judith nach vielen Minuten zu mir kam und mich sanft zurück in die Wohnung schob.
     
    »Das war sie, oder?« Sie schob mir einen Kaffeebecher hin und ich nahm einen großen Schluck.
     
    »Ja.« Ich fühlte mich leer und hilflos und ich hatte immer noch den Blumenstrauß in der Hand.
     
    »Sehr verlobt sah sie gerade eben nicht aus.« Judith grinste und rieb sich den Hals, an dem ein großer blauer Knutschfleck zu sehen war. Ruckartig fiel mir ein, wie dieser Fleck entstanden war, und ich wurde rot. Ein bisschen, weil ich mich für die letzte Nacht schämte, und ein bisschen, weil ich quer durch die Wiesenblumen trotz allem Lust bekam, noch einmal in diesen weichen Hals zu beißen. Von all den Emotionen, die in mir kämpften, hatte die Erotik zu meiner Überraschung die funkelndsten Waffen. Erstaunlich. Judith schien das zu sehen und zog mich aus der Küche ins Schlafzimmer.
     
    »Jetzt weiß sie es doch

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