Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
Vom Netzwerk:
da faste ich lieber.
    Zitternd vor Frustration setze ich mich auf eine Bank und schicke Anoki eine SMS. »Keine Kohle, Tank leer. Kannst du herkommen? Frag aber erst Papa, ob er dich am WE braucht, und grüß ihn von mir. HDL.«
    Obwohl Anoki um diese Zeit in der Schule sein müsste, kommt die Antwort nur Minuten später: »kom auf jed fall brauchs Mich nichabholn nem die uban.ich bring geld Mit machdir Keine sorge.hdsl.« Seine exzentrische Interpretation des Wortes »U-Bahn« bringt mich zum Lachen, und ich fühle mich besser, als ich an meinen Arbeitsplatz zurückkehre.
    Als ich total erschöpft mit dem Fahrrad vor meiner Haustür eintreffe, ist Anoki schon da. Strahlend erhebt er sich von der Stufe und schultert seinen Rucksack, und nicht mal die Schweißströme, die an mir herunterfließen, können ihn davon abhalten, mich ekstatisch zu knutschen. Ich sehe mich verstohlen um, ob ein paar meiner Nachbarn diese Open-Air-Orgie beobachten. Behutsam unterbreche ich das Prozedere, schleppe das Rad in den Keller und gehe mit Anoki hoch in meine Wohnung. Nachdem ich die Tür hinter uns geschlossen habe, sage ich: »Wo waren wir noch mal stehengeblieben?«, und er kapiert blitzschnell, was ich meine, und wirft sich mir erneut an den Hals. »Hast du auch wirklich mit Papa geredet?«, frage ich anschließend streng. »Dich ordentlich abgemeldet und ihn gefragt, ob du was für ihn tun kannst?«
    »Der tut ja auch nichts für mich«, erwidert Anoki frech, worauf ich ihn mit einem kleinen Klaps auf den Hinterkopf zur Räson bringe.
    »Ja, hab ich«, mault er. »War dem scheißegal, ob ich geh oder bleib.« Damit dürfte er recht haben. Aber Ordnung muss sein.

 
 
89
    »Ich hab im Internet nach Wohnungen geguckt«, erklärt Anoki, während er die Füße auf meinen Couchtisch legt. Seine Hand verschwindet bis zum Ellbogen in der Pringles-Dose, die er zielstrebig in meinem Vorratsschrank ausfindig gemacht hat, und kommt mit einem gewaltigen Stapel Chips wieder zum Vorschein, der unverzüglich den Weg in seinen Mund findet. »Sind paar ganz billige dabei«, erklärt er geräuschvoll kauend. »Drei Zimmer, das ist doch okay, oder?«
    Besonders viele Gedanken habe ich mir noch nicht darüber gemacht. Ich finde die Vorstellung, mit Anoki zusammenzuziehen, nach wie vor äußerst irreal. Um ihn nicht zu kränken, nicke ich eifrig. »Ja, drei Zimmer sind gut.« Ich sehe ihm aufmerksam ins Gesicht. Das freut ihn.
    »Hab erst mal hier so die Gegend durchsucht«, fährt er fort. »Ganz schöne Preisunterschiede, Alter. Aber ich glaub schon, da wär einiges für uns dabei.« Für uns! Wie sich das anhört! »Oder willst du lieber in ’n anderen Kiez? Näher an deine Arbeit oder so?«
    »Nee, hier fühl ich mich ganz wohl«, sage ich. »Ich glaub, hier sind auch die besseren Schulen. Du sollst ja schließlich eine anständige Bildung kriegen.« Das habe ich nur zur Provokation gesagt, und erwartungsgemäß zieht er die Mundwinkel herunter.
    »Ey, Bildung, Alter, ist davon schon mal einer reich geworden?«, tönt er großkotzig rum. »Nur knapp zwei Drittel aller Millionäre«, beruhige ich ihn. »Die anderen sind so Proleten wie du.«
    Bei diesem Stichwort grinst er abschätzig, steht auf, holt seinen Rucksack und kramt sein Portemonnaie hervor. Er entnimmt ihm eine Hunderternote, nicht ganz so glatt und hübsch wie die vom letzten Sonnabend, aber mindestens ebenso willkommen. Damit wedelt er vor meiner Nase herum. »Wenn du dich entschuldigst, kriegst du den«, sagt er.
    Ist das zu fassen? Ich bin zehn Jahre älter und hundertfünfzig Prozent intelligenter als er und soll mich vor ihm erniedrigen? Ach, es gibt nichts, was ich lieber tue.
    »O Meister«, sage ich und rutsche von der Couch auf meine Knie, »großer, erhabener Meister!« Ich falte die Hände und blicke flehend zu ihm hoch: Er gibt sich keine Mühe, sein Vergnügen zu verbergen. »Verzeih mir meine unüberlegten Worte und erweise dich deinem unwürdigen Diener gnädig!« Dabei beuge ich demütig den Kopf fast bis zum Boden.
    Anoki lacht glucksend. »Krass«, sagt er, »manche Leute machen für Kohle echt alles. Hier, schnapp’n dir!« Er hält mir den Geldschein hin und zieht ihn ein paar Mal blitzschnell weg, wenn ich danach greife; erst beim vierten Versuch überlässt er ihn mir. Ich setze mich wieder auf die Couch und warte, bis er seinen Lachkrampf überwunden hat.
    Dann stecke ich den Hunderter zurück in sein Portemonnaie, das noch auf dem Tisch liegt. »Hör mal,

Weitere Kostenlose Bücher