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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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bei Ihrem Vater, aber – wenn ich mal ganz ehrlich sein soll, ich bin mir gar nicht sicher, ob er verstanden hat, was ich von ihm will«, berichtet sie mir.
    Das versetzt mir einen Schock. Ich weiß ja, dass mein Vater seit der Flucht meiner Mutter verändert ist, in sich gekehrt und geistesabwesend. Aber dass er auf andere Menschen derart desorientiert wirkt – damit muss ich erst fertigwerden. Nun, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür, und ich bin sicher, dass Frau Paschmann nicht seinetwegen bei mir anruft.
    »Sind Sie darüber informiert, dass Anoki in den letzten Tagen fast täglich mit der Polizei in Berührung gekommen ist?«, fragt sie mich.
    Seufzend erwidere ich: »Ich bin so ziemlich über jeden seiner Schritte informiert. Aber leider immer erst im Nachhinein, sonst würde ich die meisten davon verhindern.«
    »Das wäre wohl auch besser so«, sagt sie grimmig. »Im Moment sieht es so aus, dass die Schule sich massiv beschwert. Ich bin mir nicht sicher, ob sie bereit sind, Anoki noch ein weiteres Schuljahr zu unterrichten.«
    Wie jetzt – die Schule beschwert sich beim Jugendamt? Und welche Funktion haben seine Pflegeeltern? Kann man die einfach so übergehen? Nun, wahrscheinlich kann man das – wenn der eine verschwunden und der andere nicht ansprechbar ist.
    Ich schlucke meine Wut herunter und sage: »Wir haben sowieso geplant, dass Anoki in den Sommerferien nach Berlin zieht. Also zu mir,

meine ich. Sie sehen ja selbst, dass das zu Hause nicht mehr so ganz hinhaut.«
»Na, das sind ja interessante Neuigkeiten«, entgegnet sie indigniert, »und wann wollten Sie das Jugendamt davon informieren?«
    Scheiße! Da hab ich wohl einen taktischen Fehler gemacht. Nichteinhaltung des Amtswegs. Welche Strafe steht darauf? Sofortige Heimeinweisung? »Sobald wir uns selbst wirklich sicher sind«, sage ich und hoffe, dass ich sie besänftigen kann. »Anoki ist absolut dafür, ich schwanke noch ein bisschen, und mit meinem Vater müssten wir diesbezüglich noch ein Gespräch führen. Es hat ja keinen Zweck, wenn ich Ihnen irgendwelche unausgegorenen Ideen mitteile, oder? Natürlich hätten wir Sie noch um Ihr Einverständnis gefragt«, schleime ich.
    »Also – das können wir jetzt nicht alles telefonisch regeln«, sagt Frau Paschmann, die vermutlich darüber nachdenken muss, ob sie uns fertigmachen oder protegieren soll. »Kommen Sie doch bitte nächste Woche zu mir ins Büro – alle drei. Sagen wir, am Mittwoch um siebzehn Uhr?«

 
 
98
    Mir wird allmählich klar, welche Verantwortung ich zu übernehmen im Begriff bin, und ich kriege kalte Füße. Womöglich beruht Anokis Anziehungskraft nicht zuletzt auch darauf, dass ich immer nur freiwillig mit ihm umgehe. Kann es sein, dass er mir gnadenlos auf den Zeiger geht, wenn er erst mal in meiner Wohnung lebt, mich rund um die Uhr beansprucht und ich persönlich für jede einzelne seiner Schandtaten zur Rechenschaft gezogen werde? Keine Ahnung, wie ich damit umgehen würde, wenn Anoki dreimal die Woche zu nachtschlafender Zeit in Begleitung zweier uniformierter Respektspersonen vor meiner Tür stünde. Bisher habe ich diese Abenteuer immer nur aus sicherer Entfernung verfolgt, wie einen hochspannenden, aber amüsanten Fernsehfilm. Ich habe mir alles angehört, und dann bin ich friedlich und unbelastet schlafen gegangen. Na ja, meistens. Die wenigen Male, wo ich selbst involviert war, rechne ich jetzt mal nicht mit, obwohl ich zugeben muss, dass sie über Gebühr an meinen Nerven gezehrt haben.

Wahrscheinlich bin ich vollkommen ungeeignet als Anokis persönlicher Sozialpädagoge.
    Ich fange an, Judith mit anderen Augen zu sehen, und frage öfter nach Una, was sie so macht, ob sie Probleme bereitet und so weiter. Zu meinem Entsetzen tut sie das tatsächlich: Sie hat eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, isst kein Gemüse, verweigert die Mitarbeit im Deutschunterricht, fürchtet sich vor Spinnen, schwärmt für Robert Pattinson, kauft sich gelegentlich von ihrem Geld fürs Schulessen heimlich Süßigkeiten, braucht eine Zahnspange und will unbedingt ein eigenes Pferd haben. Und ich hatte gedacht, Una sei pflegeleicht!
    Nur bei meinem allabendlichen Telefonat mit Anoki oder wenn ich mit ihm zusammen bin, verfliegen meine Selbstzweifel. Seine Stimme zu hören genügt, dass ich sämtliche Bedenken vergesse und mir nur noch inbrünstig wünsche, für immer und ewig mit ihm zusammen zu sein. Nichts könnte mich davon abbringen, ihn bedingungslos zu lieben, alle

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