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Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
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Schwierigkeiten würde ich mit ihm durchstehen, alle Probleme für ihn lösen und jede Sorge von seiner Stirn küssen. Natürlich arbeitet er gezielt daran, diesen Eindruck noch zu verstärken, indem er – wie Judith das ganz richtig erkannt hat – mir suggeriert, dass er all seine Dummheiten doch nur macht, weil er so allein und traurig ist. Er macht das sehr geschickt, unter Einsatz seines gesamten nicht unbeträchtlichen schauspielerischen Talents. Fast jeden Abend schwärmt er mir vor, wie glücklich wir beide sein werden, wenn er erst bei mir wohnt. Er entwirft uns eine Zukunft wie aus der Fernsehwerbung für Bausparverträge, in der die Sonne nie untergeht, der Teppich nie Flecken kriegt und die Kinder nie schlechte Noten schreiben. Gerne untermauert er seine Visionen mit dubiosen Fakten. »In Berlin ist das Lernniveau an den Schulen viel höher. Ich glaub, ich hab hier bloß keinen Bock, was zu machen, weil mir das alles viel zu pillepalle ist«, ist eine seiner abstrusesten Behauptungen. Klar, wenn ich so eine Rechtschreibung hätte wie Anoki, würde ich mich auch fragen, was ich überhaupt noch auf der Schule soll. Allerdings würden meine Überlegungen dann eher so in Richtung Harakiri gehen.
    Eine andere gern verwendete Behauptung Anokis ist: »Die Leute hier sind voll verklemmt. Ich komm mit denen einfach nicht parat. In Berlin war das anders, da hatt ich immer sofort überall Freunde. Hab ich dir schon mal erzählt, dass ich damals mit ’ner Millionärstochter befreundet war?« Das soll mich wohl beeindrucken.
    »Was hat der Vater denn gemacht, Drogen- oder Waffenhandel?«, frage ich zurück.
    Anoki ignoriert die Attacke. »Ich glaub Pudding.« Dann zieht er ein neues Ass aus dem Ärmel. »Singles zahlen statistisch gesehen die höchste Miete. Wenn man sich ’ne größere Wohnung nimmt, wird der Quadratmeterpreis immer kleiner.« So geht das jeden Abend. Manchmal sind seine Argumente so abgefahren, dass nicht mal ich sie widerlegen kann.
    Ich versuche, einen regelmäßigen Kontakt zu meinem Vater aufrechtzuerhalten, aber das ist mühsam. Er hält sich sehr häufig bei Tante Anette auf, und wenn ich ihn mal ans Telefon kriege, habe ich immer das Gefühl, mit einem gut trainierten Papagei zu reden. Es klingt alles verständlich und menschenähnlich, aber einen richtigen logischen Zusammenhang kann ich in seinen Worten nicht erkennen; außerdem wiederholen sich seine Phrasen verdächtig oft. Auf meine Fragen geht er meist gar nicht ein, sondern erzählt mir einfach irgendwas ganz anderes, und zwar umso mehr, je persönlicher die Frage war. Wenn ich nach Anoki frage, wird er schlicht hilflos. Einmal sagt er sogar: »Wer?«, aber ich glaube, da hat er mich bloß akustisch nicht verstanden. (Hoffentlich.) Trotzdem bin ich sehr besorgt. Und zwar, wie ich zu meiner Beschämung gestehen muss, weniger um meinen verwirrten Vater als um meinen haltlosen Bruder.
    Nach mehreren Tagen des Zauderns rufe ich meine Mutter an. Mein Magen ist ein schmerzender Stein, und mein Puls geht wie auf Ecstasy, aber es muss sein. Während das Freizeichen ertönt, hoffe ich heimlich, sie möge nicht da sein. Ist sie aber. Und offensichtlich sehr erstaunt, dass ich anrufe, wenngleich ich nicht erkennen kann, ob es sie freut oder nervt. Nach einigen unbeholfenen Einleitungsphrasen beiderseits komme ich zum Thema.
    »Übrigens, Anoki möchte zu mir nach Berlin ziehen. Also, wir würden uns natürlich eine größere Wohnung suchen. Ich bin mir nicht sicher … aber ich glaube, wenn er noch länger in Neuruppin bleibt, geht alles den Bach runter. Papa wird überhaupt nicht mit ihm fertig, und wahrscheinlich fliegt er von der Schule. Ich hab das auf die Entfernung einfach nicht im Griff.« An dieser Stelle halte ich inne, um ihre Reaktion abzuwarten.
    »Dann versteht ihr euch also immer noch so gut«, sagt meine Mutter mit einem sonderbaren Unterton. Was ist das? Eifersucht? Wehmut? Sie ist mir so fremd geworden! Früher wusste ich immer ganz genau, was in ihr vorging.
    »Na ja«, wiegele ich ab, »er braucht ja irgendjemanden, an den er sich halten kann.« Warum sage ich das? Ich spüre eine quälende Unsicherheit. »Das Jugendamt wird bestimmt auch deine Einwilligung haben wollen«, füge ich hinzu, und sie fällt mir fast ins Wort, so rasch antwortet sie: »Na sicher, macht das mal ruhig, ich glaub, das ist eine sehr gute Idee. Anoki hat ja von Anfang an am meisten auf dich gehört.«
    Ich könnte stolz sein auf dieses Lob, aber ich

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