Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzbesetzer (German Edition)

Herzbesetzer (German Edition)

Titel: Herzbesetzer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Wegberg
Vom Netzwerk:
Anoki beschwert sie sich nicht so explizit, aber sie lässt anklingen, dass er sich auch nicht ganz nach ihren Vorstellungen entwickelt. Sie ist der Meinung, er müsse viel mehr für die Schule tun, denn die schlechten Noten seien hauptsächlich Resultat seiner Faulheit. Außerdem sei er mit seinen Gedanken oft nicht bei der Sache. Wenn sie ihn zum Einkaufen zu Real schickt, sagt sie, dauert es ewig, bis er zurückkommt (kein Wunder, wahrscheinlich klaut er den halben Laden leer – das braucht eben seine Zeit!), und dann hat er oft noch die Hälfte vergessen oder bringt die falschen Dinge mit. Immer wieder kommt er später nach Hause als verabredet, ohne Bescheid zu sagen, obwohl er doch das Handy hat. Da geht er angeblich auch nicht immer ran, wenn sie ihn zu erreichen versucht. Seine Pflichten im Haushalt erledigt er zwar geschickt und flink, aber man muss es ihm mindestens dreimal sagen, ehe er loslegt. Dabei sei er eigentlich nie frech oder aufsässig, gibt meine Mutter zu – mehr zerstreut, abwesend, vielleicht auch desinteressiert. Sie sagt, er entschuldigt sich praktisch immer, wenn er etwas falsch gemacht hat, aber inzwischen kann sie das nicht mehr besänftigen, weil es einfach zu oft passiert.
    Am liebsten würde ich ihr in einem fort widersprechen oder Anoki in Schutz nehmen. Aber erstens entspricht das nicht meiner Position im Trojan’schen Familiengefüge, und zweitens würde ich Anoki damit eher schaden als nutzen. Meine Mutter ist eifersüchtig genug auf unser gutes Verhältnis; ich bemühe mich daher ständig, es herunterzuspielen. Manchmal kritisiere ich Anoki sogar – ich lass mir einfach irgendwas einfallen –, damit sie das Gefühl hat, ich stünde auf ihrer Seite. Denn ich weiß, dass sie ihren Ärger sonst an Anoki auslässt, und das ist das Letzte, was ich will. Dann soll sie lieber mich beschimpfen, ich bin das schließlich seit Jahren gewohnt und habe mir einen entsprechenden Panzer zugelegt.

 
 
38
    »Verdammt, Julian!«, kreischt Janine und schubst mich von sich runter. »Bist du bescheuert? Du tust mir weh!«
    Ich lande unsanft in der Wirklichkeit. »Entschuldige«, sage ich.
    Sie setzt sich auf und umklammert ihre nackten Beine mit beiden Armen, wobei sie mich ansieht wie einen fiesen Perversen. »Also, du bist echt komisch in letzter Zeit«, zetert sie. »Ich glaub, wir müssen mal eine Pause einlegen, was?«
    Falls sie hofft, dass ich jetzt zu Kreuze krieche und sie um ihre Gunst anflehe, hat sie sich geschnitten. Eigentlich will ich sie ja schon eine ganze Weile loswerden. Zumindest der erwachsene Teil von mir. Und wenn man beim Sex an jemand anderen denkt, ist das meiner Erfahrung nach kein besonders gutes Zeichen. »Gute Idee«, antworte ich also schnippisch. Womit uns beiden klar wird, dass dies das Ende unserer Zweckgemeinschaft bedeutet, nur mit dem Unterschied, dass sie sich darüber tierisch ärgert.
    Sie verschwindet in meinem Bad, dann zieht sie sich an, sammelt ihre Utensilien zusammen und setzt sich etwas unschlüssig auf mein Bett. »Was ist denn los mit dir?«, fragt sie immer noch ärgerlich, aber auch bereit, Verständnis zu zeigen. »Hast du Stress auf der Arbeit oder was?«
    Als wenn ich das jetzt, nach einer siebenmonatigen reinen Fickbeziehung, plötzlich mit ihr diskutieren würde.
    »Überhaupt nicht«, erwidere ich. »Im Moment bist du die Einzige, die Stress macht.« Nach dieser Antwort kann sie zwangsläufig keinerlei guten Willen mehr an den Tag legen.
    »Ach ja? Na, dann kannst du dich ja jetzt freuen, ich geh nämlich!«, schnappt sie beleidigt und verlässt meine Wohnung mit einem kindischen Türenknallen. Ich verschränke die Hände hinter dem Kopf, starre an die Decke und versuche, so etwas wie Wehmut zu empfinden. Geht aber nicht.
    »Ich hab mit Janine Schluss gemacht«, sage ich am Telefon zu Anoki. »Oder sie mit mir, so genau hab ich nicht aufgepasst.«
    »Echt? Cool! Wurde aber auch Zeit«, befindet mein altkluger kleiner Bruder. Seit dem Abend beim Chinesen steht seine Meinung über sie fest. »Das heißt, wir können uns jetzt alle beide mal was Vernünftiges suchen«, schlägt er vor. »Was hältst du von Speeddating? Oder sollen wir uns mal bei so’n paar Singlebörsen im Internet anmelden?«
    »Werd du erst mal geschlechtsreif«, wimmele ich ihn ab, »und ich brauch so was nicht, danke. Ich geh jetzt einfach mal runter und such mir eine aus der Schlange vor meiner Haustür aus.«
    Anoki kichert. »Du meinst diesen Haufen kreischende

Weitere Kostenlose Bücher