Herzblut 02 - Stärker als der Tod
waren, den eigenen Zauber rückgängig zu machen, damit sich die Farbe abwaschen ließ.
„Was ist los?“, fragte Savannah leise. „Habt ihr euch bekleckert?“ Ihre Mundwinkel zuckten.
„Du M…“ Vanessa blieb das Wort im Hals stecken. Sie kam einen Schritt näher und holte mit der rechten Hand aus, als wollte sie Savannah eine knallen.
Wieder überliefen mich schmerzhafte Nadelstiche.
Wollten die Zwillinge etwa Magie einsetzen? Hier, bei Sav und vor allen Leuten? Sie waren wohl verrückt geworden.
„Hey!“ Ich sprang auf und vergaß vollkommen, dass ich dabei meine Schreibsachen und Bücher vom Tisch fegte.
Savannah sah kurz zu mir herüber, und die Schmerzen verschwanden.
„Bis später, Mädels“, sagte sie zu den Zwillingen und schlenderte den Hauptflur hinunter.
„Was sollte das denn werden?“, wollte ich wissen. Ich wünschte, die Zwillinge wären keine Mädchen gewesen. Dann hätte ich sie nach draußen schleifen und gegen die Wand knallen können.
„Wir waren das nicht!“, stotterte Vanessa, die Augen weit aufgerissen. Die beiden Mädchen waren unter ihrer aufgesprühten Bräune blass geworden. „Ich schwöre es dir, Tristan. Das war sie!Sie hat gelernt, zu zaubern.“
Eine Antwort darauf sparte ich mir.
Ich ging auf den Flur und sah mich um. Da war sie. Savannah lehnte, ein ganzes Stück entfernt, an einem Schließfach.
Plötzlich bemerkte ich dicht neben ihr eine blonde Strubbelfrisur, die ich nur zu gut kannte. Im überfüllten Flur tat sich eine Lücke auf, und ich konnte sehen, dass Dylan vor Savannah stand und sich mit beiden Händen links und rechts neben ihrem Kopf abstützte.
An beiden Handgelenken trug er Lederarmbänder. Talismane gegen Vampire. Daher die schmerzhaften Stiche gerade. Er wollte sie entweder ohnmächtig werden lassen oder umbringen. Aber die Schutzzauber, die ich vor der zweiten Stunde angebracht hatte, blockierten seinen Angriff.
„Es ist Dylan“, erklärte ich den Zwillingen, die sich hinter mir duckten, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Was ihr spürt, kommt von ihm.“
Zähneknirschen lief ich den Flur hinunter, stieß Leute beiseite und überlegte, wo ich Dylan zuerst treffen wollte. Gott sei Dank hatte ich vorhin die Schutzzauber verteilt. Sonst läge Savannah jetzt ohnmächtig oder sogar tot auf dem Boden. Dylans Talismane waren nur Zentimeter von Savannahs Gesicht entfernt.
Er sah stirnrunzelnd auf seine Armbänder. Wahrscheinlich fragte er sich, warum sie Savannah nichts ausmachten.
Im nächsten Moment knallte er mit dem Rücken gegen das Schließfach, wo Savannah gerade noch gestanden hatte. Aber nicht wegen mir. Ich wollte mich an die Clann-Regeln halten, keine Magie benutzen und ihn einfach umhauen, aber ich war noch zehn Meter entfernt.
Wieder trafen mich schmerzhafte Stiche.
Irgendwie hatten die beiden die Plätze getauscht, jedenfalls hielt jetzt Savannah Dylan fest. Dabei berührte sie ihn nicht. Ihre Hände hingen herab, die Handflächen nach vorn, die Finger gespreizt.
Als würde sie ihn tatsächlich durch Magie gegen die Schließfächer drücken.
Niemals. Das ging gar nicht. Andererseits … Ich konnte den Beweis direkt vor mir sehen und spüren. Savannah hatte zaubern gelernt. Und so, wie Dylan sich wehrte, ohne dass er sich losreißen konnte, war sie keine Anfängerin mehr. Sie musste seit Monaten geübt haben. Aber wie? Und wer war so verrückt, ihr das beizubringen?
Als Savannah sich leicht vorbeugte und den Kopf schräg legte, erinnerte sie mich an eine neugierige Löwin, die mit ihrer Beute spielte. Sie leckte sich lächelnd über die Lippen und sah ihm unverwandt in die Augen.
„Dylan, Dylan, Dylan. Du wolltest mein nagelneues Auto einschmoren, oder? Meinen Pick-up hast du ja schon zerlegt. Was willst du damit erreichen? Soll ich etwa wie eine Fledermaus durch die Gegend flattern?“ Sie grinste, ohne mich zu beachten. Dabei musste sie mich spüren, genau so wie ich immer ihre Nähe spürte.
Einen Schritt vor ihnen blieb ich stehen. Inzwischen taten die Nadelstiche richtig weh. Mein Gott, sie war mächtig, schon jetzt fast halb so mächtig wie Emily. Ich widerstand dem Drang, mir über die Haut zu reiben, und konzentrierte mich ganz auf sie.
Zum ersten Mal sah sie nicht mehr wie meine Savannah aus. Sie sah nicht so aus, als würde sie überhaupt zu irgendjemandem gehören. Sie wirkte wie ein völlig fremdes Wesen. Ihre Augen schimmerten hellsilber, fast weiß. Ihre unglaublich glatte, makellose Haut hob sich
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