Herzblut 02 - Stärker als der Tod
zuvor. Anfang der Woche hatte ich im Sekretariat Michelles Gedanken aufgeschnappt. Ein Bild von Savannah in einem langen schwarzen Satinkleid war aufgeblitzt. Michelle war richtig stolz gewesen, dass sie dieses Kleid für Savannah gefunden hatte. Wenn man nach ihrer Erinnerung gehen konnte, durfte sie auch stolz sein. Savannah würde noch umwerfender aussehen als sonst.
Savannah heute Abend zu sehen, ohne sie in die Arme zu nehmen oder mit ihr zu tanzen, würde mit Sicherheit eine Qual werden. Vor allem mit einem anderen Mädchen an meiner Seite.
Es wäre schlauer gewesen, zu Hause zu bleiben.
Aber das konnte ich nicht. Genauso wenig, wie ich unsere Beziehung einfach aufgeben konnte. Ich hatte es versucht. Ich hatte mir immer wieder gesagt, dass wir nichts tun konnten. Zu viele mächtige Leute waren gegen uns. Aber wenn ich versuchte, sie zu vergessen, lief alles in mir Sturm. Ich konnte mir einfach keine Zukunft ohne Savannah vorstellen.
Wie war es möglich, dass zwei Menschen füreinander geschaffen und glücklich miteinander waren und so viele andere ihre Beziehung für falsch hielten?
Irgendeine Möglichkeit musste es geben. Vielleicht übersah ich sie, weil mir die Sache zu nah ging. Oder ich wusste nicht genug über den Rat. Meine Eltern verstand ich, sie wollten mich nur beschützen. Sie begriffen nicht, dass Savannah mir nie etwas tun würde. Aber wenn ich den Rat dazu bringen könnte, seine Meinung über Savannah und mich zu ändern, und wenn ich einen Dämmzauber gegen den Blutdurst finden würde, könnte ich bestimmt auch meine Eltern überzeugen. Ihre Angst vor Vampiren würde auf keinen Fall stärker sein als ihre Liebe für mich. Im Grunde wollten sie, dass ich glücklich wurde, das wusste ich. Ich musste nur irgendwie ihre Ängste ausräumen.
Ich hatte gedacht, Savannah und ich würden genügen, unsereLiebe würde beide Seiten überzeugen, ihre Ängste und ihren Hass zu begraben. Aber wie es aussah, mussten wir erst die Vorurteile überwinden, bevor wir zusammen sein konnten. Nur, wie?
Savannah wusste mehr über den Rat als ich. Wenn ich sie überreden könnte, mit mir zu sprechen, würde uns schon was einfallen, um den Rat zu beruhigen. Aber sie wollte nicht mit mir reden, weil sie auf die anderen hörte, die sie mit ihren Ängsten runterzogen und Sav den Mut nahmen, für uns zu kämpfen. Dabei wusste ich, dass sie mich liebte. Daran hatte ich keinen Zweifel. Sicher, wir hatten uns gegenseitig verheimlicht, dass sie eine Vampirin war, aber unsere Gefühle waren keine Lüge. Wie wir uns unterhalten hatten, uns geküsst, uns umarmt, wie sie mir so oft in die Augen gesehen hatte … Nichts auf der Welt war echter, kein Zauber war stärker.
So würde ich nie wieder fühlen.
Aber ich konnte diesen Kampf nicht alleine gewinnen. Ich brauchte Savannahs Hilfe. Wie sollte ich sie überzeugen, dass wir es schaffen konnten, wenn sie nicht mal mit mir reden wollte?
Mit Magie. Ich konnte sie durch einen Zauber spüren lassen, was ich spürte. Ich würde ihr meine Zuversicht und meinen festen Glauben an unsere Beziehung weitergeben. Dann wäre sie auch zuversichtlich genug, um wieder für uns zu kämpfen.
Beim Ball würde es in der Cafeteria dunkel sein. Bestimmt konnte ich Savannah irgendwann unbemerkt beiseiteziehen. Wenn der Zauber funktionierte, würde sie sich heute Nacht mit mir im Traum treffen. Und dann konnten wir zusammen einen neuen Plan schmieden.
Welchen Zauber sollte ich nehmen? Dad hatte mir nie beigebracht, wie man jemandem Mut machte. Er hatte nur gesagt, dass es bei Magie um Selbstvertrauen ging.
Brauchte ich überhaupt einen bestimmten Zauber? Ich musste ja keine genaue Formel aufsagen. Ich musste mir nur etwas wünschen, meinen Willen auf das richten, was ich erreichen wollte, und den Zauber auslösen.
Als ich in meinen Pick-up stieg, konnte ich zum ersten Mal seit Wochen wieder frei atmen. In Gedanken schuf ich den Zauber.
„Du sollst fühlen, was ich fühle, Savannah“, murmelte ich, als ichden Motor anließ. „Du musst Vertrauen in uns haben, genau wie ich. Du musst es weiter versuchen und mit mir zusammen kämpfen, damit wir sie umstimmen können.“ Ich stellte mir vor, wie sich diese Gedanken mit Energie aufluden, und schickte sie dorthin, wo Sav jetzt sein würde – auf den Ball.
Vorsichtig wendete ich und fuhr den Hügel hinunter. In einer Viertelstunde konnte ich Bethany abgeholt haben und auf dem Ball sein. Wahrscheinlich würde der Zauber sofort wirken. Hoffentlich
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