Herzblut 02 - Stärker als der Tod
sogar den Wind hören konnte, der durch die Pflanzen säuselte.
Wenn ich doch nur die Energie dieser Pflanzen anzapfen könnte …
Ich sollte hier mal gießen. Nanna hätte sich das gewünscht.
Das war mein letzter Gedanke, während die Äste über mir verblassten.
Und plötzlich war ich frei. Ich schwebte im Garten über meinem Körper, nur eine winzige silberne Schnur verband mich nochmit meinem Nabel.
„Savannah, was machst du denn hier?“, fragte Nanna. Ihre Füße berührten nicht ganz den Boden, als sie näher kam.
„Nanna! Wie …“
„Kind, du bist in der Zwischenwelt. Also hast du wohl eine ziemliche Dummheit angestellt. Sie haben mich hergeschickt, damit ich dich dahin zurückbringe, wo du hingehörst.“
Als ich verwirrt die Stirn runzelte, erklärte sie: „Du stirbst, Liebes.“
13. KAPITEL
Tristan
N achdem wir nachmittags drei Viertel des Trainings geschafft hatten, fühlte ich mich, als hätte mich ein Mähdrescher überfahren, aber nicht wegen der Anstrengung oder der heißen Julisonne auf meiner Haut. Es war, als hätte mir etwas jeden Funken Energie ausgesaugt, bis ich kaum noch atmen konnte. Coach Parker schickte mich auf die Bank, damit ich mich ausruhen konnte, weil er dachte, es sei zu heiß für mich. Aber ich wusste, dass es etwas Ernsteres war.
Als ich zu Atem gekommen war, merkte ich, dass dieses Gefühl der Erschöpfung nicht von mir stammte. Es kam von Savannah.
Savannah war in Gefahr. Keine Ahnung, woher ich das wusste, vielleicht funktioniert der Verbindungszauber noch, aber ich wusste es. Ich spürte sie. Ich fühlte, wie sie entglitt.
Aber ich hatte keinen Schimmer, wo sie war, was mit ihr los war oder wie ich sie finden sollte.
Ich musste eine halbe Stunde warten, bis das Training beendet war. Dann holte ich mein Handy aus meinem Spind im Duschhaus und schrieb ihr eine SMS.
Sav, ich weiß, dass du nicht mit mir reden willst, aber ich habe das Gefühl, dass bei dir was nicht stimmt. Alles in Ordnung? Sag mir wenigstens Bescheid .
Savannah
„Verdammter Mist“, grummelte ich. Diese Zauberstunde war aber gründlich danebengegangen. „Ich wollte mir beibringen, Energie aufzunehmen. Stattdessen habe ich mich nur weiter geerdet.“
„Na ja, wenn du das noch mal machst, landest du noch unter der Erde“, warnte Nanna.
„Wahrscheinlich sollte ich die Zauberei einfach lassen“, sagte ich. „Wenn der Clann oder der Rat das rausfindet, flippen sie aus.“
„Pfff.“ Stirnrunzelnd winkte sie ab. „Die haben nur Angst, dass du sie mit ihren eigenen Waffen schlägst. Aber wenn wir dich nicht bald wieder in deinen Körper schaffen, musst du dir darüber keine Sorgen mehr machen.“
Das klang eigentlich gar nicht so schlecht. „So ist es netter. Hier, mit dir.“
„Ich kann nicht hierbleiben, Kleines. Und du auch nicht.“ Ihre Stimme klang so zärtlich, als hätte sie mir sanft mit der Hand über das Haar gestrichen.
„Warum nicht?“ Hier gab es keine Schmerzen, keinen unendlichen Liebeskummer oder Wut, keine Einsamkeit, keine Schuldgefühle. Nur Frieden. Ich sah sie an und erinnerte mich an die vielen Fältchen, die ihre Wangen durchzogen, weil sie so oft gelächelt und in die Sonne geblinzelt hatte. „Du fehlst mir, Nanna.“
„Du fehlst mir auch, Schätzchen. Aber du musst zurückgehen. Für dich ist es noch nicht Zeit, herüberzukommen. Gott hat noch Großes mit dir vor.“
„Mit dem größten Freak auf Erden? Warum?“
Sie stieß zischend die Luft aus. „Du gehörst genauso zu seiner Schöpfung wie jedes andere Lebewesen. Es steht dir und auch mir nicht zu, zu fragen, warum er jemanden für etwas auserwählt. Es ist, wie es ist. Du musst nur lernen, nicht immer gegen alles anzukämpfen.“
„Wogegen kämpfe ich denn an? Ich muss mir doch ständig irgendwelchen Mist gefallen lassen!“
„Du kämpfst gegen das an, was du bist. Sogar jetzt – du willst nachgeben und deine Fähigkeiten akzeptieren, und dein Körper wehrt sich immer noch dagegen. Sieh ihn dir doch an, er liegt sterbend auf der Erde. Weil du dich der Energie verschließt.“
„Ich habe doch versucht, sie aus dem Boden zu ziehen …“
„Du hast noch nicht verstanden, dass Energie ein Geben und Nehmen ist. Du willst die Hand ausstrecken und die Energie nehmen, als wäre sie etwas Festes, wie ein Stein oder ein Blatt. Aber so funktioniert das nicht.“
Ihr Seufzen klang wie der Wind in den Bäumen. „Man kann der Erde ihre Energie nicht entziehen. Man kann sie nicht nehmen.
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