Herzblut 02 - Stärker als der Tod
los, Sav?“, fragte Anne. Sie hielt mich an der Schulter fest, beugte sich zu mir und musterte mein Gesicht.
Während ich mich wegdrehte, verfluchte ich stumm den hellen Mond. Sie würde meine Zähne sehen können.
Meine Fangzähne.
Oh Gott. Sie wusste, was ich war. Aber es zu sehen war noch mal was ganz anderes. Nicht mal ich selbst wollte wissen, wie ich jetzt aussah.
„Ich muss weg“, sagte ich und ging die letzten Schritte zu meinem Auto.
Ich öffnete die Fahrertür, glitt hinter das Lenkrad und blickte auf, um sicherzugehen, dass sie meinem Pick-up nicht zu nah kam.
Anne sog hörbar die Luft ein. „Deine Augen – sie sind silbern …“ Sofort wich sie einen Schritt zurück und ließ die Hände sinken.
Ich erstarrte, eine Hand auf dem Lenkrad, die andere noch auf dem Griff der offenen Tür. Ich hörte die Angst in ihrer Stimme und konnte sie in der Luft spüren.
Meine beste Freundin hatte Angst vor mir.
Ich knallte die Tür zu, dass der ganze Pick-up schaukelte.
Wie konnte alles so in die Brüche gehen? Im letzten Monat hatte ich mich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder gut gefühlt. Als hätte mir die Magie die Kontrolle über meinen Körper und mein Leben wiedergegeben.
Und jetzt das.
„Tut mir leid“, sagte ich durch das offene Fenster. Hoffentlich konnte sie mir ansehen, wie sehr ich mir wünschte, das hier würde gerade nicht passieren.
Ihr schweres Schlucken drang laut durch die dunkle Stille. „Ist schon gut. Es ist ja nur ein Geburtstag. Ich habe doch jedes Jahr einen.“
Meine Augen brannten. Ich schloss sie, holte tief Luft, um mich in den Griff zu bekommen, und … roch wieder diesen köstlichen Duft. Das war ein Fehler gewesen. Ich würde mich nicht in den Griff bekommen. Nicht hier, nicht jetzt.
Als beste Freundin war ich echt mies. „Wir … wir sehen uns in der Schule, ja?“
Ich fuhr los, die Reifen wirbelten auf der unbefestigten Straße Staub auf. Irgendwie musste ich diesen Kloß im Hals loswerden.
Vielleicht war ich als Freundin ja doch kein totaler Reinfall. Immerhin hatte ich heute Abend alle Schutzzauber verteilen können.
Nur wusste Anne nichts davon. Also konnte ich damit nicht ausbügeln, dass ich mich bei ihrer Geburtstagsfeier vom Acker gemacht hatte.
Andererseits hätte ich ein viel schlechteres Gewissen gehabt, wenn ich geblieben wäre und nachher noch eine meiner Freundinnen angefallen hätte.
Meine Augen brannten jetzt noch stärker. Sie fühlten sich an, als würden sie in Säure schwimmen.
Nein, ich konnte nicht mal mir selbst etwas vorlügen. Ich war wirklich eine miese Freundin.
Vielleicht hätte ich die Armbänder lieber mit einem Schutzzauber vor Vampiren belegen sollen.
14. KAPITEL
D ass ich weinte, merkte ich erst, als ich zwanzig Minuten später zur Haustür reinkam, Dad aufsprang und sofort neben mir im Flur stand.
„Was ist passiert?“, wollte er wissen.
„Wieso?“ Ich sah mich im Spiegel über dem Beistelltisch an. Meine Wangen glitzerten. Ich trocknete sie mit meinen Ärmeln ab. „Von der Pizza musste ich brechen, und danach hat sich der Blutdurst gemeldet. Du hattest recht. Zufrieden?“
„Warum sollte es mich zufrieden machen, wenn du unglücklich bist?“ Er runzelte die Stirn. „Komm mit. Du musst jetzt lernen, wie du dich ernähren kannst.“
„Nie im Leben. Ich sauge doch nicht irgendwem Blut aus wie ein …“
Er wandte sich zu mir um, und mir blieb das Wort „Monster“ im Halse stecken.
„Willst du lieber zurück zu deiner Party fahren?“, fragte er. „Deine Freundinnen würden sich bestimmt sehr freuen.“
Als ich mir vorstellte, ich wäre wieder in dieser winzigen Jagdhütte, zusammen mit diesen vielen schlagenden Herzen, lief mir das Wasser im Mund zusammen.
Mir wurde fast übel. Ich schloss die Augen. „Ich will kein …“ Ich suchte nach einer Beschreibung, die ihn nicht verletzen würde. Ich wollte kein Blutsauger sein. Kein Egel. Keine Gefahr für meine Freundinnen und meine Mutter und jeden anderen Menschen in meiner Nähe. „Ich will nicht das hier sein!“
„Wir sind, was wir sind, Savannah. Du kannst die Veränderungen nicht aufhalten. Du kannst dich nur entscheiden, ob du über dein neues Leben bestimmst oder ob du dich von ihm bestimmen lässt.“ Ich und über etwas bestimmen. Davon war ich im Moment meilenweit entfernt. „Ich will niemanden umbringen. Oder jemandem wehtun.“
„Ich würde nie zulassen, dass du jemanden tötest. Und ich habe mir sagen lassen, dass manche Menschen
Weitere Kostenlose Bücher