Herzblut 02 - Stärker als der Tod
offiziell die Chefbetreuerin sein.
„Ich habe auch immer das Handy griffbereit“, versprach ich. Ich versuchte, nicht weinerlich zu klingen.
Er starrte mich nur an.
„Bitte, Dad.“ Dieses Mal ließ ich den weinerlichen Unterton raus.
Vielleicht sollte ich doch versuchen, ihn mit einem Zauber umzustimmen.
„Versprichst du im Gegenzug, dieses Jahr in der Schule zu tragen, was ich aussuche? Inklusive Accessoires und Schuhe?“
So langsam witterte ich eine Falle. „Na ja, wenn es im Rahmenbleibt. Ich muss mich an die Kleiderordnung der Schule halten, sonst schicken sie mich nach Hause, um mich umzuziehen.“
Er rümpfte die Nase. „Ich habe mich schon auf der Website der Schule über die Kleiderordnung informiert und werde daran denken, wenn ich deine neue Garderobe zusammenstelle.“
„Na gut. Ich ziehe alles an, was du aussuchst.“ Hoffentlich ist es nicht zu scheußlich oder so albern, dass die Leute mich auslachen, betete ich stumm.
„Na gut. Du darfst morgen Abend die Pyjamaparty der Charmers besuchen. Wenn du heute Abend etwas trinkst.“
Am liebsten hätte ich protestiert, aber ein Blick in seine Augen sagte mir, dass ich mir das sparen konnte. Außerdem war es vielleicht keine schlechte Idee. Vorsicht war besser als Nachsicht, und wenn ich jetzt etwas trank, hatten sich die Bluterinnerungen hoffentlich gelegt, bis morgen um sechs die Party stieg.
„Okay“, grummelte ich.
Als er zufrieden abzog, hatte ich den leisen Verdacht, dass er mich irgendwie reingelegt hatte.
Aber egal. Wenigstens durfte ich die Party besuchen.
16. KAPITEL
A uf der Party wurde es viel schwieriger, als ich gedacht hätte. Dabei waren die Bluterinnerungen schon verblasst, als ich die Sporthalle erreichte.
Letztes Jahr war die Pyjamaparty der Hammer gewesen. Allerdings hatte ich da auch noch nicht wie eine Mischung aus Mensch und Schaufensterpuppe ausgesehen. Ich wusste gar nicht mehr, wie oft ich an diesem Abend erklären musste, warum ich so blass war und meine ganzen Sommersprossen verschwunden waren („Komisches Licht hier in der Halle“) oder warum ich nichts aß („Habe vorher schon gegessen“).
Dazu kam noch die Kleinigkeit, dass ich die Gedanken von jedem im Raum hören konnte.
Als ich die Sporthalle betrat, kam es mir so laut vor, als wären irgendwo mehrere Stereoanlagen aufgedreht und jede würde einen anderen Radiosender spielen. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, was ich wirklich hörte. Als ich es begriffen hatte, flüchtete ich auf die Mädchentoilette, um mich zu beruhigen. Das kam bestimmt davon, dass ich gestern trinken musste.
Wenigstens meldete sich nicht auch noch der Blutdurst.
„Wie ist es gelaufen?“, rief Dad aus der Küche, als ich am nächsten Morgen nach Hause kam.
„Gut“, seufzte ich. Ich wusste, dass er mich sogar hören würde, wenn ich flüsterte, egal, in welchem Zimmer er an diesem Tag arbeitete.
Mehr sagte ich nicht. Auf keinen Fall würde ich ihm von meinen übersinnlichen Wahrnehmungen erzählen. Sonst würde der Rat davon erfahren und versuchen, mich als jüngsten Spion anzuheuern.
Ich stapfte die Treppe zu meinem Zimmer hinauf, zog die Turnschuhe aus und wollte sie in meinen Kleiderschrank stellen. Und erstarrte.
Als ich Dad erlaubt hatte, mir neue Kleider zu kaufen, dachte ich, er würde ein paar Teile als Ergänzung für den Rest holen.
Wir mussten wirklich an unserer Kommunikation arbeiten.
„Ein Rock?“ Ich hielt einen Bügel mit einem schwarzen Etwas aus Spitze in einer durchsichtigen Plastikhülle hoch. Daneben hing ein schwarz-weißes Kleid. Hatte er nicht gesehen, dass ich nur Jeans im Schrank hatte? Nicht umsonst besaß ich weder Kleider noch Röcke. Er konnte doch nicht ernsthaft erwarten, dass ich mit diesen Klamotten in die Schule ging. Vielleicht waren der Rock und das Kleid für besondere Gelegenheiten gedacht, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, welche das sein sollten. Zu Weihnachten und beim Festessen der Charmers zum Jahresende konnte ich sie vielleicht anziehen.
Dann entdeckte ich die Schuhkartons. Mit angehaltenem Atem öffnete ich den ersten. Ich keuchte entsetzt.
Das Handy in meiner Tasche klingelte. Während ich immer noch die Schuhe anstarrte, zog ich es raus und meldete mich.
„Und, alles bereit für die Schule am Montag?“, sagte Anne zur Begrüßung. Wenigstens konnte ich über das Handy nicht ihre Gedanken hören.
Dann begriff ich, was sie gesagt hatte. Ganz toll. Morgen musste ich mich mit der Schule
Weitere Kostenlose Bücher