Herzblut 02 - Stärker als der Tod
herumschlagen, mit den Gerüchten über Tristan und mich, dem Klatsch über Tristan und Bethany, die immer noch zusammen waren, und auch noch den ganzen Tag fremde Gedanken hören.
„Ja, klar. Ich kann es kaum erwarten“, grummelte ich. „Wie war’s beim Shoppen?“
Die Mädels hatten sich gestern Abend getroffen und die Sonderangebote zum neuen Schuljahr in Tyler genutzt.
Anne legte richtig los. Sie erzählte haarklein, wo sie eingekauft hatten und zu welchem „Mist“, wie sie es nannte, Michelle und Carrie sie überredet hatten.
„Du hättest mitkommen müssen, damit die beiden sich nicht gegen mich verbünden können!“, beschwerte sie sich.
Als ich merkte, wie sehr mir meine Freundinnen fehlten, lächelte ich. Ein Gutes hatte es immerhin, dass ich morgen wieder zur Schule gehen musste – ich würde sie alle an einem netten, sicheren öffentlichen Ort wiedersehen.
„Klingt doch lustig.“ Ich ließ mich auf den Drehstuhl vor meinemSchreibtisch fallen. „Mein Dad wollte mir für dieses Jahr unbedingt neue Klamotten kaufen. Warte ab, bis du siehst, was er ausgesucht hat. Du fällst vor Lachen glatt um.“
„Hat er dich komplett umgestylt?“
„Aber so richtig. Er ist in die Galleria gefahren. Und was er da ausgesucht hat – Kleider. Und Röcke. Und Pumps!“
Anne prustete vor Lachen.
„Wie soll ich bitte schön beim Charmers-Training mit hohen Absätzen über den Sportplatz laufen oder die Metalltribünen hochgehen?“
Nachdem Anne sich beruhigt hatte, schlug sie vor: „Na ja, du könntest einfach jeden Tag normale Klamotten mitnehmen und dich in der Schule umziehen.“
„Verlockende Idee. Nur habe ich versprochen, dass ich anziehe, was er aussucht.“
„Warum das denn?“
„Weil er mir sonst nicht erlaubt hätte, gestern Abend zu der Pyjamaparty der Charmers zu gehen.“
„Ach ja? Und, hat es sich gelohnt?“
„Schön wär’s. Am Ende habe ich den ganzen Abend Lügen erzählt, warum ich nichts esse und so blass geworden bin.“
„Du warst doch immer blass.“
„Ja, aber Mom meint, ich hätte in letzter Zeit neue Rekorde aufgestellt.“ Seit ich dieses blöde Blut trank. Aber darüber würde ich auf keinen Fall mit Anne reden.
Ich seufzte. „He, halt mir einen Platz an unserem üblichen Tisch frei, wenn wir morgen vor dem Mittagessen keinen Unterricht zusammen haben, ja? Ich kann zwar nichts essen, aber wir können zusammen unsere Stundenpläne durchgehen. Und bevor du fragst: Ja, du darfst über die Schuhe so laut lachen, wie du willst.“
Sie schnaubte. „Meine Großmutter will, dass ich zur Kirche hohe Schuhe anziehe. Ich kenne das zu gut, um zu lachen.“
„Danke.“ Ich lächelte.
„Komm erst mal zur Schule, ohne dir die Knöchel zu brechen“, erwiderte sie kichernd, bevor sie auflegte.
Ich warf das Handy aufs Bett und betrachtete die restlichenSchuhkartons. Eigentlich wollte ich gar nicht wissen, was mich erwartete.
Andererseits musste ich es früher oder später sowieso rausfinden.
Ich holte tief Luft, um all meinen Mut zusammenzunehmen, beugte mich schnell vor und schnippte die Deckel von den Kartons. Und seufzte.
Dad hatte mir Ballerinas gekauft. Jede Menge Ballerinas in verschiedenen Farben und aus verschiedenen Materialien. Sie sahen sogar süß aus.
Ich setzte mich, zog ein Paar an und musste mir auf die Unterlippe beißen, damit ich nicht loskreischte. Okay, diese Schuhe machten die restlichen neuen Sachen fast erträglich.
Als ich aufblickte, entdeckte ich eine ganze Reihe von Zetteln in Klarsichthüllen, die an einem Metallring am Türknauf meines Kleiderschranks hingen. Ich blätterte sie schnell durch. Sie zeigten zahllose Vorschläge für komplette Outfits, inklusive Schuhen und Schmuck, die mindestens für einen Monat reichen würden. Damit ich nicht durcheinanderkam, hatte Dad die Outfits sogar auf mein Bett gelegt und fotografiert.
„Herrje“, murmelte ich. Ich wusste nicht, ob ich erschrocken oder dankbar sein sollte.
Würde ich auch so einen krankhaften Ordnungswahn entwickeln, wenn ich erst mal dreihundert Jahre alt war?
Als ich mich am nächsten Morgen für die Schule fertig machte, versuchte ich, nicht zu genau in den Spiegel zu sehen. Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie sehr ich mich verändert hatte und ob es jemandem in der Schule komisch vorkommen würde. Ich war auch so schon nervös genug.
Hoffentlich laufe ich nicht Tristan über den Weg, betete ich mit jedem Atemzug.
Gleichzeitig sehnte sich ein Teil von mir
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