Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
kümmern.
Ich ließ mich auf das Bett fallen, schlug die Decke über mich und schlief ein, noch komplett angezogen und bei brennendem Licht.
Als ich am nächsten Morgen spät aufwachte, konnte ich mich nicht an meinen Traum erinnern. Ich wusste nur noch, dass Tristan darin aufgetaucht war. Er hatte mir etwas sagen wollen, war aber immer wieder in einem blutroten Nebel verschwunden.
Ich wollte nicht an ihn oder an gestern Abend denken. Und auch nicht an die Farbe von Blut. Normal. Ich würde mich in diesen ganz normalen Tag stürzen.
Mit dem Duschen musste ich mich beeilen, damit ich nicht zu spät zu dem Mittagessen mit meinem Vater kam. Ich sprang in meinen einzigen Hosenanzug und band meine Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Als ich meine verquollenen Augen mit ein bisschen Make-up kaschieren wollte, rief Anne an.
„Hi, die Mädels und ich wollten fragen, ob du heute mit nach Tyler kommst“, sagte sie. Sie klang ein wenig tonlos, als würde sie meine Antwort schon kennen.
„Würde ich wirklich gerne, aber ich treffe mich heute Mittag zum Essen mit meinem Vater, und danach bin ich bis abends beim Training der Charmers für die Frühjahrsshow.“
„Ja, dachte ich mir schon“, brummte sie.
„Ach, Anne, sei nicht …“
„Ich weiß, ich weiß. Sei nicht sauer, und wir sehen uns nächste Woche in der Cafeteria.“ Sie seufzte. „Wir würden dich einfach gerne auch mal wieder außerhalb der Schule zu Gesicht bekommen.“
Oh Mann, in letzter Zeit sammelte ich ganz schön viele Schuldgefühle. „Wie wäre es am nächsten Wochenende mit einer Pyjamaparty? Ich könnte direkt nach dem Training kommen.“
„Und wie lange dauert das am Wochenende, bis neun?“
Ich verzog das Gesicht. „Eher bis zehn oder elf.“
Sie grummelte. „Ach, wir warten einfach, bis die blöde Show gelaufen ist und du mal wieder Zeit für deine Freundinnen hast. Das wäre dann in ein oder zwei Monaten, stimmt’s?“
„Anne …“
„Ich muss los. Bis Montag“, sagte sie und legte auf.
Erschöpft, bevor der Tag überhaupt angefangen hatte, machte ich mich auf die Suche nach meinen Schuhen. Direkt nach der Frühlingsshow musste ich mir wirklich mal Zeit für meine Freundinnen freischaufeln.
Nanna hatte wohl gehört, dass ich ins Bad gegangen war. Als ich rauskam, wartete auf dem Esstisch eine dampfende Tasse Tee auf mich. Weil ich keine Zeit hatte, trank ich sie im Stehen.
„Dass du es immer so eilig hast“, sagte sie lächelnd und schüttelte den Kopf. Wie durch Zauberei verwandelten ihre Hände ein Knäuel weicher, rosafarbener Wolle in die winzigsten Babyschuhe,die ich je gesehen hatte. Im Sonnenlicht, das durch die Terrassentür fiel, blitzte ihre silberne Nadel auf. Es erinnerte mich daran, wie Dylans silberne Kamera das Licht reflektiert hatte, als er weggelaufen war. „Du siehst aus, als würdest du dir Sorgen machen, Schätzchen. Ist alles in Ordnung?“
Ich rang mir ein Lächeln ab. „Natürlich, Nanna.“ Ich schluckte schwer. „Hat heute außer Anne schon jemand angerufen?“ Zum Beispiel ein stinksaurer Nachfahre?
„Wer denn?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nur, es hätte sich noch jemand für mich gemeldet.“
„Nein, Liebes, ich glaube nicht.“
Ich schluckte einen erleichterten Seufzer herunter. Dylan hatte die Speicherkarte gestern nicht gefunden, sonst wäre der Clann inzwischen durchgedreht.
Nanna blickte stirnrunzelnd auf die Wanduhr neben der Küchentür. „Kommst du nicht zu spät zu der Verabredung mit deinem Vater?“
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. „Ach, verdammt! Okay, ich muss los. Hab dich lieb.“ Ich beugte mich hinunter und drückte ihr rasch einen Kuss auf ihre pergamentartige Wange. „Und nicht vergessen: Nach dem Essen bin ich mindestens bis sieben beim Training, vielleicht auch bis acht oder neun. Also bis heute Abend, ja?“
„Ist gut, Schätzchen. Habe dich auch lieb. Grüß deinen Vater von mir.“
„Mache ich. Die Schuhe sind übrigens süß.“
Sie strahlte wie ein kleines Kind am Weihnachtsmorgen. „Danke, Liebes! Bis heute Abend.“
Ich erreichte unser Stammrestaurant Chez Corvet schneller als gedacht. An einem weiß gedeckten Tisch mitten in dem Restaurant, das fast leer war, wartete mein Vater schon auf mich.
Mit seinem üblichen dunkelblauen Anzug sah er wie immer tadellos aus. Aber heute sah er mich anders an, irgendwie kühler als sonst. Dieser Blick machte mir nicht gerade Lust auf begeisterte Umarmungen zu unserem
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