Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
um sie zu Papier zu bringen, und das möglichst so, dass sie nicht nach Kindergarten aussahen.
Ich ging in die Küche, wo Nanna gerade die frisch geschnittenen Kräuter für ihre Teesorten vorbereitete. Ich hielt das Bewerbungsformular hoch und zog den Kopf ein. „Du hast doch angeboten, mir zu helfen, oder?“
Nanna hielt ihr Versprechen. Mit ihrer Hilfe konnte ich meine Bewerbungskladde gerade noch rechtzeitig zum Fristende am Freitag einreichen. Aber es war knapp. Zuletzt musste ich Nachtschichten einlegen, um alles zu schaffen. Und ich würde noch ewig Kleber und Glitzer unter den Fingernägeln haben.
Mrs Daniels hatte im Begleittext geschrieben, dass es ihr um kreative Ansätze ging. Die hatte sie bekommen. Ich hatte jeden Funken meiner Kreativität in diese Kladde gesteckt, angefangen bei der Form, die den kniehohen weißen Stiefeln der Charmers entsprach, über Glitzerfarbe bis zu den Papierfiguren mit austauschbaren Kostümen. Die Figuren waren Moms Idee gewesen; hoffentlich hielt Mrs Daniels sie für kreativ und nicht für kindisch oder verrückt.
Auf dem Deckblatt standen mein Name und die Nummer meines Tanzkurses, deshalb legte ich die fertige Kladde am Freitag nachder Schule einfach auf den Schreibtisch der Direktorin.
Jetzt konnte ich nur noch bis Montag warten.
Nach der Tanzstunde hing eine Liste mit drei Namen und der Überschrift „Betreuerinnen der Charmers für das nächste Schuljahr“ an der Tür des Studios. Die ersten beiden Namen kannte ich nicht.
Der letzte war meiner.
Eigentlich hätte ich mich freuen müssen. Immerhin hatten Nanna und ich hart an der Bewerbungskladde gearbeitet, damit ich einen Platz bei den Charmers ergattern konnte. Einen, gegen den der Vampirrat nichts einwenden konnte. Und es würde vielleicht sogar Spaß machen, die Charmers zu betreuen.
Aber in diesem Moment empfand ich fast nichts. Ich war Betreuerin der Charmers. Erst mal bedeutete das für mich nur, dass ich im nächsten Jahr eine Aufgabe für meine freie Zeit hatte.
Am ersten Ferienwochenende gaben die Charmers aus dem zweiten Jahr eine Sommerauftaktparty. Dort traf ich zum ersten Mal die beiden anderen Betreuerinnen. Alle dreizehn neuen Tänzerinnen und die Betreuerinnen drängten sich in einem kleinen zweistöckigen Haus am Lake Jacksonville zusammen, das den Eltern von Bethany Brookes gehörte.
Bisher hatte ich Partys immer mit meinen besten Freundinnen besucht: Ich hatte keine Ahnung, wie man mit Fremden ins Gespräch kam. Aber nachdem sich Keisha und Vicki, die beiden anderen Betreuerinnen, vorgestellt hatten, wirkten sie genauso verlegen wie ich. Irgendwie fühlte ich mich dadurch weniger fehl am Platze.
Als alle nach draußen an den privaten Anlegesteg pilgerten, fürchtete ich, ich würde als Einzige im Schatten der Bäume vor dem Pier und dem Haus sitzen. Die Tänzerinnen zogen sich bis auf ihre Bikinis aus und brieten auf Handtüchern am Ufer in der Sonne. Aber Vicki und Keisha setzten sich zu mir in den Schatten. Und genau wie ich behielten sie ihre T-Shirts und Shorts über den Badeanzügen an. Ein Glück. Bei meiner blassen Haut und meinem Geschick, mir mindestens einmal jeden Sommer einen Sonnenbrandeinzufangen, wollte ich auf keinen Fall mehr Haut zeigen. Außerdem wollte ich niemanden aus Versehen blenden. Alle anderen sahen aus, als verbrächten sie ihr halbes Leben auf der Sonnenbank.
Während sich Keisha und Vicki über ihre Familien unterhielten, schnappte ich Gesprächsfetzen von den Mädchen auf dem Steg auf. Ich hatte erwartet, dass sich alle über das nächste Schuljahr unterhalten würden und darüber, wie es als neue Charmers sein würde. Stattdessen drehte sich alles um Jungs, darum, wer mit wem ging, welche Pärchen sich getrennt hatten und welche Mädchen an der Schule von einem Bett zum nächsten sprangen. Zuerst machte mich das nervös. Wie sollte ich in diese Gruppe passen, wenn ich weder tanzte noch mich verabredete und von einem Freund gar nicht die Rede sein konnte?
Aber nach ein paar Minuten wurde mir klar, dass die Mädchen wie Michelle waren und nur den witzigsten Tratsch zum Besten geben wollten. Ich musste lächeln und wurde ein bisschen lockerer. Immerhin kannte ich auch die Hälfte der Leute nicht, von denen Michelle jeden Tag beim Mittagessen erzählte. Trotzdem war es ganz unterhaltsam, ihr zuzuhören.
An diesem Nachmittag erfuhr ich mehr über meine Mitschülerinnen, als ich je wissen wollte. Wenn ich das Michelle erzählte, würde sie wochenlang
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