Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
zu sehen gewesen waren.
Sie hatten das Soko-Büro noch nicht richtig betreten, da stürmte hinter ihnen schon Polizeipräsident Dietmar Lodenbacher herein. Dabei wollte Kluftinger erst ein bisschen verschnaufen, denn seine Brust fühlte sich auf einmal eng und schwer an. Doch daran war gar nicht zu denken, denn Lodenbacher war sichtlich aufgewühlt und fuchtelte beim Sprechen mit den Armen herum. »Jo … des is jo, mei, do wearn mia …« Wie immer, wenn er möglichst viel in möglichst kurzer Zeit loswerden wollte, verfiel der Niederbayer dabei in starken Heimatdialekt, und so bekamen die Kollegen nicht alles von dem mit, was da kaskadenartig auf sie niederprasselte. Immerhin konnten sie sich aus Wörtern wie »Erfoigsmöldung«, »Sensation«, »Ermittlungstriumph« und »Pressemöldung« ausmalen, worauf er hinauswollte.
Seine improvisierte Ansprache, die Kluftinger an den Auftritt eines Fernseh-Kabarettisten erinnerte, endete mit dem Satz: »Und jetzat mocht’s den Soock zua.«
Der Kommissar musste ein paarmal durchatmen, um das Gehörte ein wenig sacken zu lassen, da preschte Maier vor: »Kann ich denn da pressemäßig irgendwas tun, Herr Polizeipräsident?«
Hefele rümpfte die Nase: »Da wird man grad so einen Spargeltarzan brauchen!«
Sie lachten laut, doch da Lodenbacher, der die Insiderpointe nicht verstanden hatte, sie wütend anblickte, verstummten sie sofort wieder.
»Wenn ich vorschlagen darf, Herr Lodenbacher«, mischte sich nun Kluftinger ein, der seinem Vorgesetzten mit diplomatischem Geschick den Wind aus den Segeln nehmen wollte, »sollten wir vielleicht erst einmal warten, bis wir die beiden eingehender vernommen haben.«
»Ah wos, Sie wearn’s schon aus dene aussa pressn, Kluftinga.«
»Vielen Dank für die Vorschusslorbeeren, aber ich denke …«
»Ich kann ja schon mal eine Pressemeldung vorformulieren«, schlug Maier vor.
Kluftingers Kiefermuskeln spannten sich an. »Ja, Richie, das kannst du von mir aus, aber raus geht das erst mal noch nicht, verstanden? Herr Lodenbacher, Sie wollen doch auch nicht, dass wir später vielleicht wieder zurückrudern müssen, gell? Das wär schon eine ziemliche Blamage.« Er wusste, dass der Polizeipräsident auf dieses Wort empfindlich reagierte.
»Sie ham schon recht«, sagte er denn auch etwas bedächtiger und weniger dialektal. »Aber beeilen S’ Eahna. Sie wissn, die Presse … also, ich mein, die Bürger warten auf eine erlösende Meldung, ned?«
»Freilich. Nicht nur die. So, und jetzt machen wir uns mal an die Arbeit.« Kluftinger hoffte, dass Lodenbacher dies zum Anlass nehmen würde, sie wieder in Ruhe zu lassen, was er schweren Herzens auch tat.
»Gott sei Dank«, seufzte der Kommissar, als sich die Tür hinter dem Polizeipräsidenten geschlossen hatte. »Aber er hat recht: Jetzt gilt’s. Also, Richie, Roland, ihr knöpft euch die Frau vor. Und lasst eine Haarprobe von ihr nehmen. Eugen, wir fühlen dem Mann noch mal auf den Zahn. Richard, schreibst du noch einen Bericht über die Vernehmung der anderen Schausteller? Vielleicht brauchen wir noch die eine oder andere Aussage von denen. Fräulein Henske?«
Sandy war so schnell im Raum, als habe sie darauf gewartet, dass man sie rufen würde. »Ja, kann ich irgendwie helfen?«
»Das können Sie. Könnten Sie veranlassen, dass der Nachbar vom Hübner, der mit dem Hund, und die Frau vom Imbiss schnellstmöglich zu einer Gegenüberstellung kommen?«
»Natürlich, Imbiss und Hund, wird erledigt.«
»Aber die Pressemeldung …«, warf Maier ein.
»Die kannst du ruhig gleich fertig machen. Zusammen mit einer Entschuldigungsmeldung, falls wir zu voreilig waren. Da könnte dann so was drinstehen wie: ›Durch den Übereifer eines nicht genannten Kommissars mit Namen Richard Maier …‹«
Als er mit Strobl wenig später dem Schießbudenbesitzer gegenübersaß, war bei Kluftinger von der Euphorie über den möglichen Ermittlungserfolg nicht mehr viel übrig. Es war zu deprimierend, wie Wolfhart Fink sein Leben als Angehöriger des fahrenden Volkes beschrieb. Seine Schilderungen waren geprägt von Frustration über ein Dasein am unteren Rand der Gesellschaft, Trotz gegenüber der Politik, die zwar von sozialen Netzen redete, die Maschen aber so großzügig knüpfte, dass Menschen wie er und seine Frau hindurchfielen – und Wut. Letzteres zumindest ließ den Kommissar aufhorchen. Wieder und wieder bestritt Fink, mit den Opfern je Kontakt gehabt zu haben. Dafür
Weitere Kostenlose Bücher