Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
den Boden unter dem Wagen ab.
»Kein Tropfen Öl«, erklärte er.
Da öffnete sich im ersten Stock eine Wohnungstür, die wie alle anderen auf einen offenen Gang führte, von dem man den Hof einsehen konnte. Heraus trat ein Mann, etwa in Kluftingers Alter, einen Trachtenjanker über einem weißen Unterhemd, Jogginghose, die nackten Füße in Sandalen. »Was machen Sie an meinem Auto?«, rief er ihnen zu.
»Sind Sie Vinzent Baur?«
»Schon mein ganzes Leben lang, ja. Was gibt’s denn?«
Der Kommissar wollte sich schon über den Hof schreiend vorstellen, besann sich aber eines Besseren, hob eine Hand und stieg hinter Strobl die Außentreppe hoch. »Ein schönes Auto haben Sie da, Herr Baur«, begann er oben im Plauderton.
»Schön, ja von wegen! Ein alter Bock ist das. Der ist bald dreißig Jahre. Ich kann mir halt keinen neueren leisten. Und fahren kann ich in meinem jetzigen Zustand eh nicht. So schaut’s aus.«
Der Kommissar stutzte. Der Kombi war ungefähr so alt wie sein geliebter Passat.
»Aber Sie werden kaum wegen meinem alten Daimler gekommen sein, oder?«
»Nein, wir sind von der Kriminalpolizei. Mein Name ist Kluftinger, das ist Hauptkommissar Strobl. Wir wollten uns nur ein bissle unterhalten mit Ihnen.«
»Aha. Um was soll’s denn da gehen?«
»Könnten wir drinnen sprechen, Herr Baur?«
Sie traten in eine kleine Wohnung, von deren Korridor ein Wohnzimmer mit der obligatorischen Eichenwand abging. Sofort fiel Kluftinger ein vertrauter Geruch auf.
»So, hat’s Kässpatzen gegeben bei Ihnen?«, fragte er.
»Wie immer am Dienstagabend. Früher hat sie mir meine Frau immer gemacht. Jetzt gibt es keine Frau mehr.«
Irgendwie kam ihm das alles ziemlich bekannt vor. »Was machen Sie denn beruflich, Herr Baur?«, wollte Strobl wissen, als sie auf der ledernen Couchgarnitur Platz genommen hatten.
»Gar nix mehr«, brummte er bitter, »ich hab da drüben im Finanzamt fünfunddreißig Jahre meinen Dienst versehen, alles war gut. Bis ich’s dann auf dem Herzen bekommen hab. Dann war’s schnell vorbei mit der Arbeit. Da ging nix mehr.«
»Wie lange ist es denn her, dass Sie krank geworden sind?«
»Ziemlich genau drei Jahre. Es hat alles mit so einem Stechen im Brustkorb angefangen«, begann der Mann, und Kluftinger hörte ihm gebannt zu, »dann bin ich halt mal zum Doktor, hab ein EKG machen lassen, und da haben sie dann was gefunden. Der Arzt hat gesagt, ich soll abnehmen, mich gesünder ernähren, der ganze Schmarrn. Das hilft doch hinten und vorn nix! Wenn die Pumpe nicht mehr will, dann hast du nicht mehr viel zu lachen.«
Der Kommissar wurde bleich.
»Ich hab nie groß Ärzte gebraucht vorher, und irgendwann, mit dreiundfünfzig, hab ich mich neu versichert. Privat.«
»Beim Herrn Hübner«, ergänzte Strobl.
Baur sah ihn verblüfft an. »Genau. Der Hübner, der hat mir so eine Drecksversicherung angedreht, die bei Vorerkrankungen fast nix zahlt. Da war ich verratzt! Ich hätt ein sauteures Ding gebraucht, wissen Sie, das meine Rhythmusstörungen von innen mit Elektroschocks … na, führt vielleicht auch zu weit jetzt. Jedenfalls … so einen Defi. Ich geh da hin und sag, ich bin ja privatversichert! Ja, von wegen. Den Kopf haben sie geschüttelt und gesagt, ich müsste das selber zahlen.«
»Und dann haben Sie sich bei Doktor Steiner in Behandlung begeben?«, fragte Strobl.
»Der Kardiologe, bei dem ich immer war, der hat mir den empfohlen. Der Steiner hat ein Medikament getestet – und dafür haben sie Probanden gesucht. Ich hab mich gefreut: Das war wie für meine Situation gemacht. Hat ja nix gekostet, und ich hab keinen Defibrillator gebraucht. Das hat zumindest der Steiner am Anfang gesagt. Das war ein bissle komisch, weil die meisten anderen so ein Gerät eingepflanzt hatten und gleichzeitig das Medikament gekriegt haben. Nein, sagt der Steiner, in meinem Fall kann man auf diesen Defi verzichten. Aber hingehauen hat das nicht. Im Gegenteil: Meine Rhythmusstörungen haben zugenommen, so sehr, dass ich’s kaum ausgehalten hab. Dauernd dieses Beklommenheitsgefühl.«
»Beklommenheitsgefühl? Und wie ging’s dann weiter?«, fragte Kluftinger mit trockenem Mund.
»Irgendwann bin ich aus dem Programm ausgestiegen. Ich bin immer wieder bewusstlos geworden, das hat dann auch der Steiner nicht mehr übersehen können. Er hat einfach nur gesagt, wenn ich nicht an die Sache glaub, dann muss ich’s halt lassen. Als ich gesagt hab, ich will raus und will auch den Defi, wollt er
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