Herzblut: Kluftingers neuer Fall (German Edition)
hatte ihm ein Frühstück mit koffeinfreiem Pulverkaffee und einem Vollkorn-Marmeladenbrot gemacht. Zu seiner Verwunderung hatte ihm diese Mahlzeit einen ebenso kraftvollen Start in den Tag ermöglicht wie sein traditionelles Frühstück. Was ihm jedoch Sorgen machte, waren nach wie vor die leichten Schmerzen im Brustkorb, die sich von den ersten beiden gesunden Mahlzeiten offenbar noch nicht in die Flucht hatten schlagen lassen.
In der Kaffeeküche der Inspektion kam er sich jetzt ein wenig deplaziert vor mit seiner Tasse kalter Milch und einer Mineralwasserflasche. Aber wenigstens verkniffen sich die Kollegen heute ihre Kommentare.
Bis auf Maier, der sich an den Stehtisch zum Kommissar gesellte und fast wie ein Bauchredner mit eingefrorenem Grinsen durch die Zähne flüsterte: »Ich find’s super, dass du dich entschlackst!«
Kluftinger verstand nicht. »Hm?«
»Du brauchst mir nix vorzumachen: erst mit der Milch entgiften, dann mit Wasser durchspülen und die restlichen Giftstoffe aus der Niere ausleiten. Genau so geht’s! Wenn du’s nach Ayurveda machen willst, sollte das Wasser übrigens heiß sein.«
»Schmarrn … Veda! Ich will halt mal auf was verzichten in der Fastenzeit!«, zischte Kluftinger.
»Sehr schön, spirituelles Fasten kann dich in ungeahnte körperliche und vor allem geistige Zustände führen.«
»Aha, dann fastest du also schon seit zehn Jahren, oder Richie?«
Maier sah ihn verwundert an. »Auf jeden Fall hab ich dir mal einen kleinen Ratgeber auf den Tisch gelegt. Da geht es um die Mattigkeit und Abgeschlagenheit in der Midlife-Crisis. Die kommt bei dir zwar ein bissle spät, aber dafür um so heftiger, glaub ich.«
Kluftinger holte schon zu einem Gegenschlag aus, doch auf einmal bremste ihn ein warmes Gefühl der Rührung: Wenigstens gab es neben Sandy noch einen Polizisten in der Abteilung hier, der sich nicht nur darum sorgte, wie es ihm selbst, sondern auch wie es seinen Mitmenschen ging. Er klopfte Maier auf die Schulter und flüsterte: »Schon gut. Danke, Richie, aber ich komm klar.«
»So, die Herren«, platzte auf einmal Strobl so laut in ihr Gespräch, dass Kluftinger zusammenzuckte. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sich der Kollege von hinten genähert hatte. »Darf ich die Selbsterfahrungs-Männergruppe mal stören?«
»Jetzt red doch nicht so blöd daher, Eugen! Wir haben grad über den … Dings gesprochen … den Taximord!«
»Den Taximord, so. Im Endeffekt müssen wir unserem Täter wirklich nur noch nachweisen, dass es auch ein Mord war und nicht bloß ein Totschlag, gell? Ich nehm mir den Typen heut noch mal vor. Übrigens: Die Wohnung ist ein total verkommenes Loch, eher so ein Pensionszimmer. Außer ein paar versifften Klamotten und alten Einwegspritzen findet sich da gar nix Verwertbares. Wenn sich der Richie und der Roland um die restlichen Zeugenaussagen kümmern, könnt ich schon mal die Akte für die Staatsanwaltschaft fertig machen, oder? Und irgendjemand müsst auch die ganzen Spuren noch asservieren.«
»Kannst das nicht auch du machen?«
»Mei, kann ich schon. Wobei ich nachher auch noch zu diesem Bauernhof rausmuss, nach Weidach, wo heut Nacht die Tenne gebrannt hat. Der KDD meint zwar, dass ein Kurzschluss an irgendeiner Pumpe schuld war, aber ich würd mir gern noch mal den Herrn Landwirt vornehmen. Bei dem hat’s nämlich vor vier Jahren schon mal gebrannt. Oder willst du da raus?«
»Nein, Eugen, mach du das ruhig!«, winkte Kluftinger ab. »Ich hab noch was anderes vor. Richie, vielleicht kannst du ja mit.«
»Schwerlich, ich habe noch ein Fernsehinterview zum Taximord heute Vormittag.«
»Aha, wer kommt da?«
»So ein Boulevard-Magazin, die wollen explizit den Pressesprecher. Sie würden auch gern was vor dem Auto machen …«
»Stimm das ja mit dem Präsidium ab, gell? Nicht dass uns der Lodenbacher da aufs Dach steigt, wenn zu viele Internas rausgehen. Und so Extraschmarrn machen wir nicht.«
»Interna«, versetzte Maier kaum hörbar.
»Hm?«
»Es muss Interna heißen. Singular: Internum – Plural: Interna.«
»Mein Gott, Richard, du machst es einem auch wirklich nicht leicht, dich zu mögen, ganz ehrlich!«
»Also, ich muss schon sagen: Für jemanden, der die große Trommel in der Musikkapelle spielt, ist dein Gehör noch recht beeindruckend.«
In Kluftingers Gesicht schlich sich ein zaghaftes Lächeln – das erste des heutigen Tages. Dabei war es schon Nachmittag.
»Doch, wirklich«, fuhr Werner Zint fort.
Weitere Kostenlose Bücher