Herzen aus Asche
beirren.
»Im Diesseits sterben Menschen, und wir glauben, dass eine verstorbene Seele dahinterstecken könnte. Wir möchten bloß wissen, ob du etwas dazu sagen kannst. Kein Grund, mich anzugreifen.« Leifs Miene verdüsterte sich. Sjadv ir stand so nahe vor ihm, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, doch keiner von beiden wich zurück.
»Ich habe dir nichts zu sagen, Draug .« Er betonte das Wort bewusst abfällig. »Geh und rassle mit deinen Ketten, erschrecke die Lebenden und lass mich in Ruhe.«
Sjadvir riss den Kopf herum. Seine finsteren grünen Augen fixierten Amelie. Sie konnte nichts aus seinem Blick lesen als Abscheu und Hass.
»Wie konntest du das tun, Leif?« Er wandte den Blick dabei nicht von ihr ab. »Wie konntest du eine lebende Seel e herbringen? Bist du größenwahnsinnig geworden? Schlimm genug, dass du dein Geheimnis überhaupt einem Menschen offenbart hast.«
»Was fürchtest du?« Leif verschränkte die Arme vor der Brust. »Dass die Lebenden kommen und deine sch äbige Hütte abreißen? Was geht dich das Diesseits an? Lass mich meine eigenen Entscheidungen treffen.« Amelie merkte ihm deutlich an, wie schwer es ihm fiel, die Fassung zu bewahren und ruhig zu sprechen. Es war unübersehbar, dass die beiden niemals beste Freunde werden würden.
Sjadvir lachte, tief und grollend. Er verschluckte sich, hustete und lachte dann weiter. Es erschien Amelie a bsurd.
»Leif, du liebst die Kleine, oder? Oh du armselige Se ele, dich beneide ich wirklich nicht. Lass von ihr ab. Wenn dir wirklich etwas an ihr läge, hättest du sie nicht hierher gebracht und sie dieser Gefahr ausgesetzt.«
»Ich weiß, was ich tue. Ich werde sie nicht töten.«
»Ha, natürlich nicht, du Affe! Aber es kann einen Menschen den Verstand kosten, vielleicht wird sie wahnsinnig.«
Urplötzlich machte Sjadvi r einen Satz nach vorne. Amelie hätte ihm so viel Kraft nie zugetraut. Er sprang ungebremst gegen Leif, der nach hinten taumelte und wie Sand im Wind zerstob.
»Verschwinde aus meinem Traum und geh zurück, wo du hergekommen bist. Geh in dein eigenes Jenseits.« Er stieß ein gehässiges Knurren aus. »Ach ja, ich vergaß. Du hast ja gar kein eigene s Jenseits, Draug .«
»Leif? Leif!« Amelie schrie seinen Namen und stürzte nach vorne zu der Stelle, an der er verschwunden war. Panisch drehte sie sich um ihre eigene Achse.
»Wo ist er?«, keifte sie den alten Wikinger an.
»Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht. Er ist aus meinem Traum verschwunden, und allein das zählt.«
»Wie komme ich denn jetzt wieder zurück nach Hause?« Panik stieg in ihr auf, zugleich eine unbändige Wut auf den alten Miesepeter. Es war eine schlechte Idee gewesen, hierher zu kommen. Leif hatte recht behalten.
Sjadvir öffnete dir Tür zu seiner Hütte und wies Amelie mit einer Geste an, ihm zu folgen. Empörung machte sich in ihr breit und sie stemmte die Hände in die Hüften. »Bring mich nach Hause. Sofort!«
Sjadvir ließ sich von ihren Gefühlsausbrüchen nicht beeindrucken. Er schüttelte nur mitleidig den Kopf.
»Ohne mich findest du nicht nach Hause zurück, und ich möchte dich noch eine Weile in meiner Nähe haben. Das Leben ist so zuckersüß, ich hatte seinen Duft bereits vergessen.« Ein sehnsüchtiger Ausdruck trat in seine Augen. Amelie verspürte nicht den Wunsch, einem finsteren Kerl mit offensichtlich miesem Charakter in seine Hütte zu folgen. Sie blieb wie angewurzelt stehen, der Wind zersauste ihre Haare.
»Möchtest du bis in alle Ewigkeit vor der Tür ble iben?«, fragte Sjadvir, wohlwissend, dass er am längeren Hebel saß. »Komm herein, ich werde dich nicht fressen.« Er lachte und verschluckte sich erneut.
Amelie setzte sich missmutig in Bewegung, ging erh obenen Hauptes an ihm vorüber und betrat sein schäbiges Haus. Mit einem Schlag ließ das Heulen des Windes nach. Das Innere war gemütlicher, als es von außen den Anschein gemacht hatte. Ein Feuer brannte in einem Kamin, der Rauch stieg durch den Abzug in der Decke. Der Boden war mit Fellen ausgelegt, in einer Eckte stand ein Bett mit einer Matratze aus Stroh. Zwei Stühle standen unter einem kleinem Holztisch. Sjadvir zog beide heran und positionierte sie vor dem Feuer. Er wies Amelie an, sich zu setzen. Widerwillig folgte sie seinem Wunsch. Sie wollte nichts mehr, als diesen Ort zu verlassen, die Sorge um Leif grub sich in ihr Bewusstsein wie Säure.
Sjadvir setzte sich ihr gegenüber. Er streckte eine Hand nach ihr
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