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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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aus, aber Amelie wich zurück.
    »Ich möchte dich anfassen«, sagte der ungehobelte Kerl.
    »Wie bitte?« Amelies Stimme überschlug sich beinahe. Es hatte ja so weit kommen müssen! Ein Geist mit schmutzigen Gedanken, allein die Vorstellung daran war zu absurd, um wahr zu sein.
    »Ich habe seit mehr als tausend Jahren zu keinem Lebenden mehr Kontakt gehabt. Ich möchte dich einfach nur berühren.«
    Amelie verstand, dass er tatsächlich nur auf einfachen Körperkontakt aus war, und nicht auf ein Tête-a-tête. Sie erinnerte sich daran, dass Leif ihr erzählt hatte, dass die Toten instinktiv nach dem Leben trachte ten, in den meisten Fällen jedoch keine Möglichkeit fanden, ins Diesseits einzugreifen, und wenn, dann höchstens in Form eines Poltergeistes. Vielleicht war es doch nur der Neid, der die Draugar so unbeliebt machte.
    Amelie stieß seine Hand weg. »Ich erlaube es dir, wenn du mir einige Fragen beantwortest.« Sie wunderte sich über ihre eigene Kühnheit und die scharfsinnige Antwort. Schließlich war sie gekommen, um an Inform ationen zu gelangen. Sie hatte sich zwar Leifs Unterstützung gewünscht, aber vielleicht konnte sie auch ohne ihn etwas bewirken. Und wenn sie dem alten Widerling gestattete, sie anzufassen, würde er sie vielleicht zurück in ihre Welt bringen. Zumindest hoffte sie das. Flüchtig streifte sie der Gedanke, er könnte sie für immer hier behalten, wie eine Trophäe, die man sich ins Regal stellte. Sie schluckte ihre Bedenken für den Moment hinunter.
    Sjadvir zog die Hand weg und funkelte sie einen A ugenblick lang mit undeutbarem Blick an. Er schien abzuwägen, ob er sich auf den Deal einlassen sollte oder nicht.
    »Weshalb seid ihr hergekommen? Was wollt ihr von einem alten Haudegen wie mir?«
    »Du bist der klügste und weiseste unter den Geistern, nicht wahr?«
    Sjadvirs Wangen nahmen einen zarten Rotton an und er wandte verlegen den Blick ab. Amelie konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass seine unfreundliche Art nur eine Fassade war. Er genoss das Lob sichtlich. Ve rmutlich hatte lange Zeit niemand mehr mit ihm gesprochen, aber sein Ego schien ungebrochen.
    »Natürlich bin ich der Weiseste«, sagte er. »Ich bin Sjadvir Bärentöter! Mein Verstand ist scharf wie meine Axt, alle haben mich gefürchtet!« Er schlug sich mit der Faust auf die Brust. »Eine Schande, dass das Leben nach dem Tod nicht das war, das ich mir erhofft hatte!« Er brüllte wie ein Löwe, redete sich regelrecht in Rage.
Amelie gab sich Mühe, nicht mit Angst auf sein sonderbares Verhalten zu reagieren. Jahrhundertelange Einsamkeit vermochte einem wohl den Verstand zu vernebeln. »Ich habe mit Odins prächtiger Halle gerechnet, mit Zweikämpfen, Walküren, Bier und Met! Aber doch nicht mit dem hier.« Er schüttelte den Kopf und beinahe glaubte Amelie, er würde in Tränen ausbrechen. »Es ist so ungerecht! Ich bin tapfer in der Schlacht gestorben, weshalb muss ich hier in Einsamkeit leben? Was ist das für ein schreckliches Schicksal?«
    Amelie räusperte sich, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. »Ich kann dir leider auch nicht beantworten, weshalb das Jenseits nicht so ist, wie du es dir gewünscht hattest.«
    Er sah auf, und seine Augen glänzten feucht. »Die Draugar, diese furchtbaren Kettenrassler, sie lassen einfach nicht los. Sie verbleiben im Diesseits. Es ist ungerecht.«
    Amelie versuchte, das Thema geschickt in eine b estimmte Richtung zu lenken. »Dann gibt es mehr als einen Draug? Leif hatte immer behauptet, er sei der einzige.«
    Sjadvir fuchtelte mit den Händen wild in der Gegend herum. »Was weiß denn Leif schon vom Jenseits? Er ist noch keine zwei Jahre tot. Ein Heißsporn, der sich nichts sagen lassen will. Ich habe versucht, ihn auf die Gefahren seines neuen Daseins vorzubereiten, aber er wollte nicht einmal zuhören. Er hat sich Hals über Kopf zurück ins Diesseits gestürzt. Jetzt kann er mir gestohlen bleiben.«
    »Leif hat sich nicht ausgesucht, ein Draug zu sein. Er hat es auch nicht einfach. Wäre ich nicht aufgetaucht, hätte er gar keine Möglichkeit gehabt, mit den Lebenden in Kontakt zu treten.«
    »Du bist eine Seherin, hmm? Nun, er hat tatsächlich großes Glück gehabt, auf eine solche gestoßen zu sein. Aber für dich ist das sicherlich nicht erstrebenswert, mein Kind.«
    Amelie überging seinen Kommentar, denn sie wollte ihm die Informationen entlocken, wegen derer sie hergekommen war. »Er hat mir erzählt, er könne nicht immer und überall auftauchen, wie

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