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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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Geist an, das ihr sagte, dass er mit ihr sprach.
    Sie sah sich um, und dort, wo sie ihn vermutete, ve rzog sich der sternengetränkte Himmel zu einem Schleier in unterschiedlichen Farben, wie Polarlichter in der kalten Winternacht. Sie starrte das Gebilde an, und für Bruchteile von Sekunden flackerte sein Gesicht inmitten des bunten Nebels auf. Er lächelte. Sie verspürte keine Angst, solche Dinge schienen hier keinerlei Bedeutung zu haben, wie ein Aussetzen allen Lebens, der Gefühle.
    »Ist das die Zwischenwelt?« Amelies Stimme klang seltsam gedämpft, als spr eche sie durch einen dichten Vorhang hindurch.
    »Ja, das ist die Zwischenwelt , etwas zwischen Diesseits und Jenseits. Ich bin nicht gerne hier, aber immer wieder schleudert es mich hierher zurück.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Siehst du die Lichter? Das sind Seelen, die bereits den Frieden gefunden haben. Wir suchen ein ganz Bestimmtes.«
    Amelie kam es unmöglich vor, in dem Meer aus Ste rnen ein spezielles erkennen zu können.
    »Aber zunächst einmal musst du dich sammeln , Amelie. Du bist noch nicht soweit. Du hast keinen Körper mehr, du musst ihn durch deine Gedanken erschaffen«, fuhr er fort. »Ich spüre, wie dein Geist sich zerstreut. Du kannst mich nicht sehen, oder?«
    »Ich sehe einen Farbenschleier. Manchmal dein G esicht.«
    Der bunte Nebel erstrahlte jäh heller und bewegte sich auf sie zu. Als er ihr schließlich nahe war, versuchte sie, sich daran festzuhalten, und sie spürte seine Berü hrung, wie zwei Wassertropfen, die miteinander verschmolzen.
    Plötzlich gewannen die Formen um sie herum an Kontur. Leif hielt ihre Hand, und das schwarze Firm ament wich einer anderen Welt. Nur langsam wurde sich Amelie ihres Körpers wieder bewusst. Plötzlich stand sie neben Leif, sah zu ihm auf. Er nickte ihr zu, sagte aber nichts. Sie strengte ihre Augen an, und aus dem Dunst schälte sich ihr Schlafzimmer. Sie blickte auf ihren Schrank, aber sein Anblick flirrte wie die Luft über heißem Asphalt. Sie wandte den Kopf. Ihr Bett. Sie trat näher und sah ihren eigenen Körper rücklings auf der Matratze liegen. Ihr Gesichtsausdruck war entspannt. Es schockierte sie, und Amelie wich davor zurück wie vor etwas Giftigem.
    Mit einem Mal wurde sie sich des Hauses um sie he rum bewusst, wie ein Wesen, das ihren Geist flutete. Sie nahm es überdeutlich war, jedes Knarren im Gebälk, jeden Luftzug durch ein geöffnetes Fenster. Im obersten Stockwerk huschte eine Maus über den aschebedeckten Boden, an der Fensterscheibe im Flur saß eine Fliege, kitzelte sie mit ihren Füßen.
    »Ist es das, was du fühlst ? Sieht so die Welt aus, wie du sie siehst?«, fragte sie ehrfürchtig.
    » Ja. Meine Wahrnehmung beschränkt sich auf das Haus. Ich wandere oft an der Grenze umher.«
    »Die Grenze zum Diesseits?«
    »Dort verbringe ich die meiste Zeit.«
    »Weshalb sind wir hier?« Sie drehte den Kopf und sah zu ihm auf. Alles um sie herum flackerte und flirrte, doch Leifs Konturen schienen schärfer als die Realität. Er strich ihr mit der freien Hand über den Kopf, die andere hielt ihre Hand noch immer fest umklammert.
    »Du warst noch nicht soweit. Du musst dich mehr auf dich selbst konzentrieren, um im Jenseits nicht den Verstand zu verlieren und die Bruchstücke deines Geistes nicht zu verstreuen. Du wirst sehen, dann kannst du dich dort frei bewegen. Du hast dort keinen echten Körper, du musst ihn in Gedanken formen. Fühlst du dich gut?«
    »Ja, sehr. Alles ist leicht und wunderbar.« Das Fehlen ihrer körperlichen Empfindung war wie eine Erlösung. Sie spürte ihre Muskeln nicht, auch nicht ihren Her zschlag, nicht einmal die Luft, die durch ihre Atemwege floss. Keine Schmerzen, kein Verfall. Wenn sich so der Tod anfühlte, hatte er soeben den Schrecken für sie verloren.
    Leif tat unerwartet einen Schritt zurück und zog Am elie an der Hand hinter sich her. Beinahe wäre sie gestolpert, weil sie nicht damit gerechnet hatte. Jäh wurde es wieder schwarz um sie herum, als wäre sie in kaltes Wasser gesprungen. Die Villa verschwand, und zurück blieb nichts als der Sternenhimmel, den sie bei ihrem ersten Besuch in der Zwischenwelt bereits gesehen hatte. Sie verkrampfte ihre Hand um Leifs, und jäh wurde ihr bewusst, dass sie einen Körper hatte, den sie steuern konnte - eine enorme Verbesserung im Vergleich zum letzten Mal, auch, wenn es nur eine Illusion war, eine Vorstellung. Amelie konnte sich selbst wieder sehen, ebenso Leif, der neben ihr stand und sie

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