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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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rutschig, sie fand mit den Händen dort keinen Halt. Ihre Finger rissen bei dem Versuch, derbes Schilfgras zu packen, auf. Sie hatte kaum Kraft, sich festzuhalten, denn die Kälte schwächte sie zunehmend. Ihre vollgesogene Kleidung war schwer wie Blei, zudem wurden ihre Muskeln immer steifer. Sie tauchte mehrmals unter, schaffte es jedoch jedes Mal, lange genug an die Oberfläche zu stoßen, um Luft zu holen.
    Eine gefühlte Ewigkeit verging, in der Amelie schon mit dem Leben abgeschlossen hatte. Ihr e Gedanken wanderten zu Leif, und Tränen traten ihr in die Augen. Sie wollte noch nicht sterben!
    Etwas fiel auf ihren Kopf. Im ersten Moment glau bte sie, jemand würde nach ihr werfen, um ihren Tod zu beschleunigen, doch dann sah sie das Seil, das neben ihr auf dem Wasser trieb.
    »Halten Sie sich daran fest!«, rief ein Mann. Amelie konnte ihn nicht sehen. Sie griff nach dem Ende des Seils, mehrmals. Es rutschte ihr aus den Fingern. Nach vielen Versuchen schaffte sie es endlich, es sich um ihr Handg elenk zu wickeln. Dann spannte es sich, und sie spürte ein jähes Reißen in der Schulter. Kühle Luft drang an ihren Körper, sie zitterte. Hände packten den Kragen ihrer Jacke und zogen sie hinauf. Sie kam bäuchlings auf dem Weg zum Liegen. Ein Hustenanfall übermannte sie.
Amelie glaubte, erfrieren zu müssen.
    Jemand breitete eine Jacke über ihr aus. Sie hob den Kopf und sah in das Gesicht eines Mannes mittleren Alters mit tiefen Geheimratsecken. Er beugte sich zu ihr hinab, Amelie sog den Geruch von Zigaretten ein.
    »Alles in Ordnung?«
    Amelie nickte schwerfällig, obwohl nichts in Ordnung war. Jemand hatte sie mit Absicht hinuntergestoßen. Der dumme Streich eines Jugendlichen?
    Amelie setzte sich auf. Die ältere Dame stand n eben ihrem Retter, der noch immer das eine Ende des Seils umklammert hielt.
    »Danke«, hauchte Amelie.
    »Wie konnte das passieren?«, fragte der Mann.
    »E in Mofafahrer hat mich hinuntergestoßen.«
    »Ich habe ihn an der Bushaltestelle auf die Straße ei nbiegen sehen.« Er schüttelte den Kopf. »Diese verdammten Schlägertypen!« Er reichte Amelie eine Hand und half ihr beim Aufstehen. Ihre Beine fühlten sich schwach an, sie war kaum in der Lage, das Gleichgewicht zu halten.
    »Ich bin Arno Persson.« Er streckte ihr die Hand en tgegen. Amelie griff danach, doch in ihren Fingern war kaum noch Kraft, um sie zu drücken. Auch die Spaziergängerin schüttelte ihre Hand. »Anni Forsberg.«
    »Ich heiße Amelie Ivarsson«, antwortete sie pflich tschuldig.
    »Ich wohne direkt gegenüber der Hauptstraße«, sa gte die Dame. »Sie müssen unbedingt die nassen Kleider ausziehen! Wo wohnen Sie?«
    Amelie unterdrückte den Impuls, ihr zu sagen, dass sie die alte Villa bewohnte, denn sie erinnerte sich an Jariks Worte, nach denen die abergläubische Bevölk erung es nicht guthieß, dass jemand dort lebte. Deshalb entschied sie sich zu lügen und zu erzählen, sie wohne in Uppsala, sei nur auf einen Besuch in Länna gewesen.
    »So können sie aber unmöglich in den Bus steigen!« Kommen Sie mit mir, ich gebe Ihnen ein paar Handt ücher und trockene Kleidung. Amelie nickte und nahm das Angebot gern an. Sie verabschiedete sich von Arno Persson und gab ihm seine Jacke zurück, Sie versicherte ihm mindestens einhundert Mal, den Vorfall der Polizei zu melden. Unter tausend Dankesbekundungen machte sie sich mit Frau Forsberg auf den Weg zurück zur Hauptstraße. Den Besuch bei ihrer Mutter konnte Amelie nun vergessen. Aber Hauptsache, sie lebte noch. Was hatte sich der Fremde bloß dabei gedacht? Sie hätte sterben können! Plötzlich streifte sie der Gedanke, dass er genau das beabsichtigt haben könnte. Sie wäre qualvoll im See ertrunken. Ertrunken? Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Was, wenn sie soeben genau der Person begegnet war, die sich mit bösen Geistern eingelassen hatte? Sie erschauderte.
    Anni Forsberg lebte in einem gepflegten Einfamilie nhaus direkt an der Hauptstraße. Eine hohe Hecke bewahrte das Grundstück vor unerwünschten Blicken. Der Vorgarten war gepflegt und zeigte deutlich weiblichen Einfluss. Porzellanfiguren, Windlichte und Solarstecker fanden ihren Platz zwischen Rhododendronbüschen und bunten Sommerblumen. An der Haustür hing ein Schild aus Ton, in das jemand mit kindlicher Schrift »Willkommen« hineingeritzt hatte, daneben der Abdruck einer kleinen Hand.
    Frau Forsberg öffnete die Tür und geleitete Amelie über einen holzvertäfelten Flur in

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