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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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überrollt.«
    »Weshalb sind Sie so redselig? Ich kann mich eri nnern, dass Sie damals nur in Rätseln mit mir gesprochen haben.« Amelie betrachtete das abstrakte Gesicht, als unterhalte sie sich tatsächlich mit einem Menschen aus Fleisch und Blut. Sie versuchte sogar, Emotionen aus seinen Zügen herauszulesen, obwohl sich das als hoffnungslos herausstellte. Es waren eben doch nur Linien auf einer Tapete.
    »Damals waren noch so viele andere Leute dabei. Ich bin etwas schüchtern, weißt du? Außerdem waren meine Energi ereserven zu diesem Zeitpunkt völlig aufgebraucht. Ein denkbar unpassender Augenblick für eine Séance.«
    Da Jacob sie ebenfalls mit einem du angesprochen hatte, sah Amelie keinen Grund mehr, höflicher zu sein als nötig. »Ist das der Grund, weshalb du damals den Kontakt so plötzlich abgebrochen hattest? Ich hatte den Eindruck, du wolltest mir noch etwas sagen.«
    »So ist es. Aber ein heimatloser Geist hat kaum die Möglichkeit, mehr zu tun als ein Bild von der Wand fallen zu lassen. Ich kann nie lange hier bleiben.«
    »Bist du auch ein Draug?« Sie stellte die Frage geradeheraus.
    Einige Sekunden lang bewegte sich das Muster übe rhaupt nicht, und Amelie dachte schon, sie hätte ihn beleidigt und verjagt. Dabei hatte Jacob augenscheinlich nur nachgedacht. »Ich war mal einer«, sagte er schließlich.
    »Jetzt nicht mehr?«
    »Wenn du einen Draug darüber definierst, dass er Gestalt annehmen kann, dann nein.«
    »Wie kann das sein?«
    »Man hat mir das genommen, an das ich mich einst gebunden hatte. Den Ort, der mir die Energie dazu lieferte, im Diesseits zu wandeln. Jetzt sitze ich in der Zwischenwelt fest, ein furchtbar dunkler Ort! Man sieht die Hand vor den Augen nicht.«
    Amelie nickte. Sie wusste nur allzu gut, wovon er sprach.
    »Ich kann mir kein eigenes Jenseits erschaffen, ein Nachteil der Draugar, aber zurück ins Diesseits kann ich auch nicht«, fuhr Jacob fort. »Sie haben das Haus meiner Mutter abgerissen. Ein Kaufhaus steht heute dort. Ein Kaufhaus ! Ich kann gelegentlich ins Diesseits blicken, aber niemals eingreifen. Ich konnte es nicht verhindern.«
    »Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass die Fähigkeit, im Diesseits zu wa ndeln, von einem Ort abhängt.«
    »Nicht zwangsläufig. Je nachdem, woran man sich eben bindet.«
    »Weshalb kommst du ausgerechnet zu mir?« Amelie versuchte sich behutsam an das Thema heranzutasten, das sie interessierte. Sie wollte Jacobs Vertrauen gewinnen.
    »Du bist eine Seherin! Oh, wie gerne würde ich zu meiner alten Drauggestalt zurückkehren, auch wenn viele Geister das als verwerflich betrachten.«
    »Gibt es eine Möglichkeit für dich, das zu erreichen?«
    »Natürlich gibt es die. Glaubst du, ich hätte dir d amals umsonst den Standort der Draugtafel verraten? Ich war verzweifelt!«
    »Eine Draugtafel? Was ist das?« Am elies Herzschlag beschleunigte sich. Konnte es möglich sein, dass sie einen Glückstreffer gelandet hatte? Oder führte Jacob sie lediglich an der Nase herum?
    »Eine alte Steintafel, in die vor vi elen Jahren jemand die Übersetzung der alten Runensprüche geritzt hat. Und wenn ich sage »vor vielen Jahren«, dann meine ich das auch so. Eine alte Formel der Wikinger, mit der ein Seher die Seele des Draugs an sich binden kann, sodass dieser wieder ins Diesseits zurückkehren kann. Du musst wissen, das Ganze ist nicht unbedingt legal, weshalb die Tafel versteckt werden musste. Eigentlich ist es allein Odin vorbehalten, das Heer der Draugar zu kontrollieren. Aber der arme alte Mann ist auch nicht mehr das, was er mal war. Nun denn ... Dein lieber Leif hätte dir das alles auch selbst erzählen können, wenn er seinem Mentor Sjadvir damals besser zugehört und sich nicht mit ihm zerstritten hätte!« Jacob knurrte, und hätte er ein echtes Gesicht besessen, Amelie wäre sich sicher gewesen, dass er die Zähne gefletscht hätte.
    » Ich hatte mir jedenfalls so sehr gewünscht, dass du meinen Hinweis verstehen und die Tafel finden würdest, draußen bei den Hügelgräbern in der Kirche«, fuhr er fort. »Du musst wissen, das Fundament der Kirche ist schon uralt. Einst hat dort ein heiliges Bauwerk deiner Vorfahren gestanden, vor mehr als tausend Jahren. Aber nein, du hast meinen Hinweis überhaupt nicht verstanden!« Er stieß einen entnervten Laut aus. »Stattdessen hat jemand anderes das Teil aus dem Mauerschlitz hinter dem heutigen Altar gezogen. Herrgott, das war meine einzige Chance, dieser schrecklichen Dunkelheit zu

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