Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
die ihm auf Schritt und Tritt folgten.
Sie spürte, wie in ihrem Inneren die Dämme brachen, und betete um die Stärke, ihren Grundsätzen nicht untreu zu werden. Sie musste sich dieser Prüfung stellen und sie bestehen. Noch vor ein paar Monaten hatten all ihre Freundinnen sie beneidet, doch jetzt hatte sie sich in die Schar der Frauen mit gebrochenen Herzen eingereiht, die geglaubt hatten, Jack Bryant zähmen und seine Liebe gewinnen zu können.
Sie beobachtete, wie er langsam das Tanzparkett umrundete. Nein, das war kein Stolzieren, wie viele behaupteten – Jack Bryant hatte den federnden Gang eines Tigers, der sich vor keinem anderen Raubtier fürchtete, während er gemessen und mit hoch erhobenem Kopf dahinschritt. Ein Tiger, stolz und distanziert. Daphne hatte damals, als Jacks Lippen die ihren gefunden hatten, alle Hemmungen verloren. Sie wurde selbst jetzt noch rot, als sie sich vorstellte, wie weit sie gegangen wäre, wenn sich die Gelegenheit dazu ergeben hätte.
Jack schien nach jemand Bestimmtem Ausschau zu halten.
»Ich begreife nicht, warum er überhaupt gekommen ist«, sagte sie und stöhnte, so quälend war die Erinnerung an Jacks Kuss.
»Wahrscheinlich hat Ned Sinclair ihn gebeten, ihm und den Walkers Gesellschaft zu leisten.« Das war eine neue Stimme, in der unüberhörbar Abscheu mitschwang.
»Hallo, Joyce«, sagten die Mädchen wie aus einem Mund. Joyce Kent war sieben Jahre älter als sie und noch immer unverheiratet. Daphne wusste, dass auch Joyce ein-, zweimal mit Jack ausgegangen war. Sie spürte, wie ihr allein bei dem Gedanken, dass Joyce wahrscheinlich viel mehr getan hatte, als nur Wange an Wange mit ihm zu tanzen, die Röte in die Wangen stieg.
Daphne seufzte noch einmal tief. Gab es überhaupt irgendeine Frau, die jemals über Jack Bryant hinweggekommen war?
»Wahrscheinlich wird er sich sofort auf diese ständig lächelnde Iris Walker stürzen, die gerade aus England zurückgekommen ist und deshalb sicher viel zu erzählen hat«, fügte Joyce noch hinzu, bevor sie weiterging.
Vermutlich hatte Joyce recht. Nun, vielleicht war jetzt Iris Walker an der Reihe, die Bryant-Erfahrung zu machen, dachte Daphne säuerlich, schadenfroh bei dem Gedanken, dass Jack schon bald auch dem Walker-Mädchen das Herz gebrochen haben würde.
»Das ist nur eine Frage der Zeit«, sagte Joyce über die Schulter gewandt verschwörerisch und wies dann mit einem Kopfnicken in Iris’ Richtung.
Das Auxiliary-Indian-Force-Musikkorps legte sich mächtig ins Zeug, als es »I’m Forever Blowing Bubbles« zum Besten gab. Das Stück war bei den jungen Leuten überaus beliebt. Einige von ihnen hatten sogar Seifenlauge und einen Drahtring dabei und bliesen fleißig Seifenblasen in das Getümmel der Tanzenden, die über das Parkett wirbelten.
Der Saal war mit unzähligen Papierfähnchen dekoriert, die ihm eine festliche Atmosphäre verliehen. Jack lächelte, als er sich vorstellte, dass ein derart glamouröses Ereignis in Pendeen allenfalls an einem Samstagabend stattfinden würde. Hier dagegen, in einer kleinen Gemeinde in Südindien, waren die Mädchen an einem ganz normalen Arbeitstag herausgeputzt wie an einem Feiertag. Auch die Herren sahen in ihren Smokings und mit der Brillantine in ihrem Haar überaus elegant aus. Morgen früh würde ein Teil von ihnen wieder Hunderte von Metern unter der Erde arbeiten, jetzt jedoch stand allein das Vergnügen im Vordergrund.
Man hatte die Tische und Stühle an den Rand des Saales gestellt, in dem morgen Abend wieder Jaldi-Five-Bingo gespielt werden würde; jetzt jedoch wurden sie von den Müttern und Tanten der verschiedenen Familien belagert, die wie Wachposten dasaßen und ihre Töchter und Nichten dabei beobachteten, wie sie über die Tanzfläche flogen. Ihre Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass sich die Hand keines der Gentlemen in Richtung der maßvoll entblößten Schultern und Rücken ver irrte. Und wenn ein Paar sich entschuldigte, um »ein wenig Luft zu schnappen«, stellten die aufmerksamen Türsteher siche r, dass niemand den Saal verließ, ohne dass ein Onkel oder Vat er als Begleiter fungierte, um jedweden amourösen Plan bereits im Keim zu ersticken. Die älteren Frauen tauschten Neui gkeiten aus und taten ihre Meinung zu den Kleidern und zu begehrten Junggesellen kund. Vor ihrem Tratsch war niemand sicher.
Jack kam nicht oft zu diesen Tanzveranstaltungen und wenn, dann auf Neds Bitte hin oder als Gast der Walkers. Unglücklicherweise war er sich an
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