Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
diesem Abend nicht völlig sicher, ob er wirklich willkommen war. Er wusste, dass er bei Geraldine in Ungnade gefallen war, und das kränkte ihn. Er war nur zweimal mit ihr ausgegangen. Einmal hatte Ned ihn gebeten, sie zu einer der Tanzveranstaltungen der Bergleute zu begleiten, das zweite Mal waren sie mit einer Gruppe von Freunden zusammen im Kino gewesen. Geraldine hatte ihn ganz zwanglos eingeladen, und es wäre ihm ungehobelt erschienen, ihr einfach ohne Grund abzusagen. Seitdem hatte er sich jedoch all ihren Avancen entzogen. Er mochte und er respektierte Harold Walker und hatte deshalb bestimmt nicht vor, sich bei einer seiner Töchter in die Nesseln zu setzen.
Er seufzte und sah sich suchend nach dem Tisch der Walkers um, der wie immer der größte von allen sein würde. Dort drüben! Er steuerte direkt darauf zu, auch wenn er sich lieber zu den älteren Männern gesellt hätte, die sich am anderen Ende des Saales versammelt hatten, um zu rauchen, dem Tratsch ihrer Frauen zu entgehen und die hübschen jungen Dinger zu bewundern, die durch die Schneiderkreide hüpften, mit der man den Boden bestreut hatte, damit er glatt genug für die schwierigeren Tanzschritte war. Stattdessen hielt er Ausschau nach Flora Walker, um ihr pflichtgemäß seine Aufwartung zu machen.
Iris und Ned hatten kaum einen Tanz ausgelassen, seitdem sie den Saal betreten hatten.
»Ich sollte jetzt wirklich auch einmal mit Ivan tanzen«, stöhnte sie.
»Ermutige ihn bitte nicht«, widersprach Ned, wirbelte sie herum und entfernte sich mit ihr von Ivan Chalmers, der sie beide schon die ganze Zeit über mit bösen Blicken bedachte. »Iris, ich könnte die ganze Nacht mit dir tanzen.«
Sie kicherte. »Die Leute gucken schon zu uns herüber.«
»Das ist mir egal. Ich will, dass jeder Mann in diesem Raum weiß, dass er auch am nächsten Freitag vergeblich auf einen Tanz mit dir warten wird.«
Jetzt lachte sie laut. »Ned, du kennst mich doch kaum.«
»Ich kenne dich, Iris. Ich weiß, dass du die eine bist …« Aber ihre Aufmerksamkeit war plötzlich ganz woanders.
»Wer ist denn das?«, fragte sie und sah dabei an seiner Schulter vorbei zum Rand der Tanzfläche.
Ned drehte sich um und erspähte Jacks unverkennbare Silhouette. »Warum sehe ich im Smoking nicht auch so gut aus?«, stöhnte er. Dann begann er zu grinsen.
»Nun, zuerst einmal ist seiner weiß. Ihr mit euren schwarzen Dingern seid alle der Zeit ein gutes Stück hinterher. Aber wer ist er?«
»Mein Freund Jack.«
»Oh, gehen wir doch zu ihm«, schlug sie vor, doch Ned war nicht bereit, sie so schnell gehen zu lassen. »Nach diesem Lied, ja?«, bat er daher.
»Mmmm«, sagte sie. »Die Leute haben recht. Ihr beide seid wirklich ein seltsames Paar.«
»Wir haben sehr viel mehr gemeinsam, als du dir vorstellen kannst«, widersprach er und wünschte sich nichts sehnlicher, als das Bild des toten Brent aus seinem Kopf verdrängen zu können.
»Das sagst du ständig.«
Er seufzte theatralisch. »Außerdem sind wir beide großartige Liebhaber«, sagte er und war selbst überrascht über diese überaus gewagte Aussage.
Sie sah ihn an, die Augen in gespieltem Entsetzen geweitet. »Wenn du das sagst, Edward Sinclair!«
Das Stück endete. Iris hakte sich bei ihm unter. »Komm schon. Stell mich ihm vor. Ich bin neugierig.«
Pflichtschuldig führte Ned Iris zu Jack hinüber. Sein Freund unterhielt sich gerade mit Harold, und Ned flehte stumm, dass er Iris kein übermäßiges Interesse entgegenbringen würde. Tatsächlich hoffte er plötzlich sogar, dass Jack, wie das so oft der Fall war, in keiner guten Stimmung sein würde.
Walkers Aufmerksamkeit wurde abgelenkt. »Ah, da sind sie ja«, unterbrach er sein Gespräch mit Jack. Neds Freund drehte sich um, und ihm stockte der Atem: Eine hinreißende Schönheit mit dunklem Haar und ebenso dunklen Augen kam Arm in Arm mit Ned auf ihn zuspaziert. Harold Walker gab der jungen Frau einen Kuss auf den Scheitel. »Du legst ja eine ganz schön flotte Sohle aufs Parkett, meine Liebe.«
»Danke, Dad. Wir brauchen unbedingt noch etwas zu trinken, bevor der Charleston kommt. Es ist heute Abend ganz schön warm.«
Jack beobachtete fasziniert, wie sie sich mit den Händen theatralisch Luft zufächelte.
»Hallo«, sagte sie dann mit einem strahlenden Lächeln, das ihn völlig verblüffte. Einen Augenblick lang wünschte er sich, unsichtbar zu sein, so dass sie nicht bemerkte, wie ungläubig er sie anstarrte. »Will uns denn niemand
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