Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
beiden großen Koffer, die Bella mitgebracht hatte, mit einen Pferdekarren nach KGF . Er selbst und die beiden Frauen nahmen eine Kutsche zum Institute.
»Lasst uns im Club noch etwas trinken, bevor wir uns auf den langen und staubigen Rückweg nach Kolar machen.« Er warf Iris einen kurzen Blick zu und lächelte ihr beruhigend zu. »Ich werde in ganz Indien bestimmt keine schöneren Tischgäste finden.«
Später, als sie bei einer kühlen Limonade zusammensaßen, beobachtete Iris Bruder und Schwester, deren Gespräch sich natürlich hauptsächlich ihrer gemeinsamen Vergangenheit zuwandte.
»Ich habe oft überlegt, das Waisenhaus noch einmal zu besuchen, um zu sehen, ob es etwas gibt, was ich tun kann.«
Ned runzelte die Stirn und sah Bella fragend an.
»Du weißt schon, ein paar Türen in meinem Kopf schließen«, erklärte sie.
»Es ist wahrscheinlich besser, wenn du nicht dorthin zurückkehrst«, sagte Iris sanft. »Das war bestimmt keine sehr glückliche Zeit für ein kleines Mädchen.«
Ned warf ihr einen dankbaren Blick zu. »Iris hat recht, Bell. Wir sollten das Ganze nicht noch einmal aufrühren.«
»Da bin ich anderer Meinung. Das Waisenhaus ist der Grund dafür, weshalb wir beide hier in Indien sind. Ich habe Mums und Dads Tod inzwischen verarbeitet – es ist mir oft sogar peinlich, dass ich aufgehört habe, sie zu vermissen. Die Grenfells haben großen Einfluss auf mich ausgeübt, waren die vergangenen sechs Jahre jeden Tag für mich da. Und sie haben mir ein wunderbares Leben ermöglicht – ein Leben, wie ich es in England oder in Rangun niemals hätte führen können, selb st wenn Mum nicht gestorben wäre.«
Ned wirkte verletzt, wie Iris bemerkte. »Du machst mir ein schlechtes Gewissen.«
»O nein, Ned, bitte nicht«, besänftigte Bella ihren Bruder.
»Wie geht es Arthur?«
»Bist du mir böse, wenn ich sage, dass er für mich mehr ein Vater ist, als es unser leiblicher Vater je gewesen ist?«
Ned verspürte einen schmerzhaften Stich. »Nein, natürlich nicht.«
Bella beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn zärtlich auf die Wange. »Ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast. Aber jetzt sollten wir zusammen feiern.« Sie lächelte Iris mit feuchten Augen an. »Verzeih mir, Iris. Ich verspreche dir, dass es von nun an nur noch fröhlich zugehen wird.«
Iris erwiderte ihr Lächeln. »Dann gefällt es dir also hier bei uns, Bella? Ich meine, Madras gefällt dir?«
»Oh, es ist wunderbar. Ich habe die Schule dort geliebt, die Hausaufgaben allerdings weniger. Und ich habe ein paar wunderbare Freunde gewonnen. Wir haben oft darüber gesprochen, dass ich einige ihrer Familien in Britannien besuchen kann.« Iris war klar, dass sich Bellas Erfahrungen grundlegend von denen, die sie hatte machen müssen, unterscheiden würden. Und auch wenn Arabella Sinclair eine Waise war, so war sie doch auf der richtigen Seite der Welt geboren, um ohne jeden Vorbehalt akzeptiert zu werden. »Ich werde wahrscheinlich Gouvernante oder Französischlehrerin oder etwas in der Art werden – ich spreche es inzwischen fließend.«
»Französisch?«
»Die französische Ehefrau eines englischen Gentlemans hat es mir beigebracht. Das Ehepaar hat seine Tochter auf sehr tragische Weise verloren, und die Frau hat mich wohl auch deshalb in ihr Herz geschlossen.«
»Du bist also zweifellos auf die Füße gefallen, wie man so schön sagt«, bemerkte Iris und versuchte, dabei nicht allzu neidisch zu klingen.
»Ich weiß! Alles, was ich jetzt noch brauche, ist ein netter Engländer in meinem Leben, und alles wäre perfekt.«
Alle drei lachten. Aber obwohl das ganz offensichtlich als Scherz gemeint war, beschloss Iris aus irgendeinem unerfindlichen Grund, nur Zynismus aus dieser Bemerkung herauszuhören.
Auf dem Weg nach KGF redeten Ned und Bella ohne Unterlass. Falls Ned überhaupt bemerkt hatte, wie still Iris geworden war, so schien es ihn nicht weiter zu beunruhigen.
»Siehst du die Bäume, die hier überall am Wegrand stehen, Bell? Das sind Maulbeerbäume.«
»Natürlich. Wir hatten doch einen zu Hause. Mum hat sich immer beschwert, wenn wir mit verfärbten Fingern ins Haus kamen.«
»Du hast ein gutes Gedächtnis.«
»Ich habe im Grunde wenige Erinnerungen, aber die, die mir geblieben sind, sind sehr lebhaft.«
»Diese unzähligen Maulbeerbäume stehen hier, weil diese Gegend für ihre Seidenraupen berühmt ist.«
»Wirklich?«
»Die Bräute in Südindien heiraten in seidenen Gewändern. Das ist zwar
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