Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
keiner weiteren Reaktion mehr fähig. Powell stieß ihn einfach zur Seite und übernahm die Kontrolle über die Winde. Er schaltete die Anlage auf Zug, um den Förderkorb aus dem Wasser zu holen. Aber bis zu diesem Moment waren bereits über drei Minuten vergangen.
Die Sirenen heulten wieder – und diesmal war es das Signal, das jede Frau in KGF fürchtete.
Plötzlich stand Burrell neben ihm. »Raus hier, Jack!«, knurrte er. »Verschwinde und sieh zu, dass du so schnell wie möglich nüchtern wirst.«
»Nüchtern?«, wiederholte Jack fragend. Er klang verwirrt.
»Ich habe vorhin deine Fahne gerochen. Ich bin ein verdammter Idiot. Jetzt werden sie dich dafür verantwortlich machen.«
»Was meinst du damit?«
»Raus jetzt!« Burrell schob ihn aus dem Maschinenraum.
Jack wollte sich dagegen wehren, aber plötzlich schien alle Kraft aus seinem Körper gewichen zu sein; er hörte bereits Schreien und Weinen. Er wusste, was als Nächstes kam.
Ehe er noch einen Gedanken fassen konnte, schob ihn Burrell in einen der Lieferwagen der Minengesellschaft und wies einen Inder an, Master Bryant nach Hause zu fahren. Jack wollte noch etwas sagen, aber er brachte keinen Ton heraus.
Er hatte nur noch ein einziges Bild vor Augen: das Gesicht seines Vaters, der enttäuscht den Kopf schüttelte. Im Fond des Wagens brach Jack schließlich zusammen. Er krümmte sich und atmete stoßweise, als schließlich alle Dämme brachen und er an die Männer dachte, die während seiner Schicht umgekommen sein mussten, an Ned und an Iris, an Kanakammal, an sein ungeborenes Kind, dem er Schande bereitete, noch bevor es auf die Welt kam … Und wie immer dachte er an seinen Vater, dessen Ansprüchen er niemals hatte gerecht werden können.
Als Kanakammal das Heulen der Sirene hörte, setzte ihr Herz für einen Schlag aus. Auch sie wollte zum Hügel hinauflaufen, sich den Ehefrauen und Müttern, Schwestern und Tanten anschließen, die panisch versuchen würden, so schnell wie möglich zum Schacht zu gelangen, als könnten sie ihre Männer allein durch ihre Anwesenheit retten.
Irgendwie wusste sie jedoch instinktiv, dass sie dort nicht gebraucht wurde. Jack befand sich nicht unter der Erde. Er stand bereits vor dem Haus, war in einem Wagen nach Hause gebracht worden. Jetzt schob er eine helfende Hand beiseite und taumelte aus dem Fahrzeug. Sie konnte sehen, dass er zutiefst schockiert war.
Während sie darauf wartete, dass er die Stufen der Veranda heraufstieg, wappnete sie sich für das, was auf sie zukommen würde. Er fiel in ihre Arme und weinte wie ein Kind, und Kanakammal konnte nichts tun, als ihn zu halten, bis diese Welle der völligen Verzweiflung verebbt war.
Sie konnte ihm jetzt unmöglich sagen, dass Ned tot war; es fiel ihr schon schwer genug, es selbst zu glauben. Sie war zum Laden ihres Vaters gegangen und hatte dort den chokra der Sinclairs angetroffen. Mr. Rupert Walker hatte ihn entlassen, da seine Dienste nicht länger benötigt wurden. Mr. Walker hatte ihm den vollen Lohn für diesen Monat ausbezahlt und noch etwas draufgelegt. Dabei hatte er erwähnt, dass der Herr und die Herrin nicht mehr in ihr Haus zurückkehren würden. Mehr hatte der Junge auch nicht sagen können. Kanakammal war die Hauptstraße hinuntergegangen, um mehr herauszufinden. Zufällig hatte sie eine Freundin, die als Schwester im Krankenhaus arbeitete, getroffen.
»Heute ist ein Mann ums Leben gekommen. Ein schrecklicher Unfall. Er hat einen tödlichen Stromschlag erhalten«, hatte ihre Freundin mit großen Augen auf Tamil berichtet.
»Weißt du zufällig, wer es war?«
»Er war mit Dr. Walkers Tochter verheiratet.« Die junge Frau hatte bedauernd mit dem Kopf gewackelt. »Der arme Dr. Walker.«
Kanakammal hatte ihre Freundin fassungslos angestarrt, die nicht hatte wissen können, dass sie Ned Sinclair persönlich kannte.
Der Schmerz und der Schock hatten ihr die Kehle zugeschnürt. Sie hatte sich entschuldigt und war den ganzen Weg nach Hause zurückgerannt, bis sie schließlich im Garten hinter dem Haus stehen geblieben war und die Arme um ihren Oberkörper geschlungen hatte, als würde sie frieren. Die Affen waren schnatternd in den Bäumen herumgeturnt und hatten sie um ein paar Obststücke angebettelt, aber Kanakammal war taub für ihre Bitten gewesen.
Nein, sie würde Jack noch nicht von Neds Tod berichten. Da gab es offensichtlich andere Dinge, die ihn quälten.
»Ich verstehe das einfach nicht«, stöhnte er, als er sie losließ, um mit
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