Herzen aus Stein (German Edition)
Ausweis abholen und Vincents Tabletten besorgen. Es galt , keine Zeit zu verlieren. Schwerfällig wand sie sich aus seinem Griff. „ Wir sollten los. “
Während Vincent seine neue Kleidung bezahlte, ging sie mit Ma g nus’ Handy ins Internet. Sie wollte sehen, wo sie in der Nähe etwas essen konnten. Ein einfaches Lokal würde reichen. Sie kannte Vi n cents Tischmanieren nicht und hatte keine Ahnung, ob er sich in Gesellschaft anderer überhaupt wohlfühlte. Aber er gab sich im U m gang mit fremden Menschen aufgeschlossen. Sie hätte gedacht, dass er eher der menschenscheue Typ wäre. Weit gefehlt. Vincent war ohnehin ein besonderer Fall. Er versorgte sich seit Jahren selbst, brauchte Nahrung und andere Gegenstände des Alltags. Er war allein und musste alles selbst erledigen, wie sie. Das aufgeräumte Bad e zimmer kam ihr wieder in den Sinn. Er hatte ebenfalls gelernt, keine Spuren zu hinterlassen.
Noir fand ein Bistro in einer Seitenstraße, das hoffentlich nicht zu überlaufen war. Als sie wenige Minuten später dort ankamen, waren sie tatsächlich fast die einzigen Gäste. Das Bistro war urig und g e mütlich. Rustikale Möbel und K erzen sorgten für einen Hauch Ro mantik. Sie suchten sich einen Tisch in einer Ecke am Fenster, von wo aus sie zugleich die Straße und die Tür im Blickfeld hatten. A u tomatisch waren sie beide darauf zugesteuert. Sie wussten, wie man sich zu verhalten hatte, wenn man ständig mit Angriffen rechnete. Tagsüber war Noir jedoch ziemlich entspannt. Dämonen waren zwar nicht nur nachtaktiv, aber während des Tages hielten sie sich weniger an der Oberfläche auf oder verhielten sich zumindest unauffälliger.
Vincent stellte die Tüten unter den Tisch und setzte sich auf eine Bank. Noir nahm ihm gegenüber auf einem Stuhl Platz, obwohl sie lieber neben ihm gesessen hätte. Abstand halten, ermahnte sie sich ständig. Nachdem sie eine Kleinigkeit bestellt hatten, brach Noir das Schweigen, das sich zwischen ihnen ausbreiten wollte. Räuspernd blickte sie unter halb gesenkten Lidern zu Vincent. „ Du bist fünf Jahre älter als ich. Weißt du das? “
„ Ja. “ Vincent rührte seinen Kaffee um, ohne sie anzuschauen. Ich bin ihr zu alt. „ Dreißig. “
„ Ein gutes Alter “ , erwiderte sie. Es war interessant, ihn auszuho r chen, doch sie kam sich immer schäbiger vor. Sie konnte nicht alles hören, nur Fragmente, Dinge, die ihn besonders stark beschäftigten. Vieles davon verstand sie nicht, besonders seine Tabletten waren wohl wichtig. Leider wusste sie immer noch nicht, wozu sie gut w a ren, traute sich aber nicht, zu fragen. Vincent wollte offenbar nicht mal darüber nachdenken, also würde sie ihn bestimmt nicht daran erinnern wollen.
Wollte sie ihm nicht längst sagen, dass sie seine Gedanken hörte? Aber würde Vincent dann nicht erst recht Komplexe bekommen? Auch wenn er äußerlich so stark wirkte, schien seine Seele zerbrec h lich. Er fühlte sich unwohl und reagierte sich an der armen Speis e karte ab, die er hin und her drehte, immer wieder aufschlug oder die Ecken verbog.
Noir beschloss, seine Gedanken zu ignorieren und sich dagegen abzublocken. Das beherrschte sie gut, ansonsten würde sie wahnsi n nig werden. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter. Neben dem Kellner saß nur eine junge Frau an einem Tisch am anderen Ende des Bistros und las eine Zeitung. Als Noir deren Gehirn a n zapfte, bekam sie ein paar Schlagworte zu hören, wie Grubenunglück , verschüttet und hoffnungslos . Auf diese Weise konnte Noir auch übe r prüfen, ob Dämonen in der Nähe waren. Sie konnte nur Gedanken von Menschen auffangen. Was ihr auch zeigte, wie menschlich Vi n cent sein musste. Sie wandte sich ihm wieder zu. Er war also dreißig Jahre alt und hatte noch nie Sex gehabt? Und da hatte sich Noir mit siebzehn schon Gedanken gemacht, als alte Jungfer zu sterben. Nur daher hatte sie damals mit diesem Dämonenjäger Mike geschlafen. Um es hinter sich zu bringen.
„ Alterst du so schnell wie ein Mensch? “ , wollte sie wissen.
Er nickte. Wieso gefiel es ihr, dass er nicht unsterblich war? Weil sie es selbst auch nicht war? „ Wie alt kann ein Gargoyle werden? “
„ Meine Brüder und Schwestern können sehr alt werden, da der A l terungsprozess während des Steinschlafes nicht voranschreitet. Grimsley, unser Klanführer, ist fast zweihundert Jahre alt. Das ist eigentlich das Höchstalter für einen Gargoyle und viele fragten sich schon zu der Zeit, als ich noch im
Weitere Kostenlose Bücher