Herzen aus Stein (German Edition)
nun kein Mädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau. Wieso lief ihr Traum diesmal anders ab? Normalerweise kam jetzt die Stelle, wo sie in der Scheune ankam. Dort stand Dads altes M o torrad bereit sowie ihr Mofa. Sie schnappte sich ihren Helm. Ohne nachzudenken , schob sie die schwere Kawasaki ihres Vaters aus der Scheune und fuhr mit ihr aus London hinaus . Es hatte aufgehört zu schneien, aber Malou erfror beinahe auf dem Fahrzeug. Sie war ei n fach drauflosgefahren , ohne zu wissen, wohin. Als sie glaubte, weit genug aus London heraus zu sein, hatte sie mit ihrem Handy Magnus angerufen.
Nun fror sie nicht. In den Armen des Gargoyles fühlte sie sich warm und geborgen.
Noirs Herz pochte heftig, als sie ihre Lider öffnete. Das Bild war unscharf und das Licht blendete sie. Noir blinzelte, bis sie richtig sehen konnte. Graue Augen leuchteten ihr entgegen. Sie lag neben einem Mann, der sie unverwandt anschaute. Sie kannte ihn … Es war Vincent.
Sie erinnerte sich, was geschehen war. Sie musste wohl doch neben ihm eingeschlummert sein. Sie hatte so gut wie schon lange nicht mehr geschlafen. Wegen Vincent? Oder weil sie jetzt das Handy von Magnus hatte? Sie horchte in sich hinein. Sie hatte sich beschützt gefühlt, weil dieses starke Wesen neben ihr gelegen hatte. Endlose Augenblicke starrten sie sich einfach nur an, bis Vincent den Blic k kontakt abbrach. Eine sanfte Röte überzog seine Wangen. Himmel, war er süß. Beinahe Nase an Nase lagen sie auf einem Kissen. Noir bewunderte sein maskulines Gesicht, die Muskeln an den Obera r men und der Brust. Ob sie seine Haut berühren durfte? Vincent sah wie ein Mensch aus, sogar die Krallen waren verschwunden und die scharfen Eckzähne. Erst jetzt fiel ihr auch auf, dass er eine Strähne ihres langen Haares in der Hand hielt. Er trug seine Handschuhe nicht. Noirs Herz setzte für einen Schlag aus, nur um danach mit doppelter Wucht weiterzuhämmern. Wenn er den Arm nach ihr ausstreckte, würde sie zu Stein werden! In einem Anflug von Panik wollte sie nach ihm schlagen, beherrschte sich aber.
Vincent schien ihre Angst zu wittern, denn sofort ließ er die Strä h ne los und zog sich seine Kurzfingerhandschuhe über. Dann legte er sich wieder hin.
Noir erinnerte sich. Nur was aus lebendigen Zellen bestand, kon n te zu Stein werden. Haare allerdings bestanden aus verhornten, abg e storbenen Zellen. Wie hatte sie nur denken können, er würde ihr etwas antun? Sie musste endlich lernen, jemandem zu vertrauen. Nicht jedes Wesen wollte an ihr Amulett oder sie umbringen. Im Moment traute sie aber nur sich und Magnus, wobei Vincent nah dran war, Kandidat Nummer drei zu werden.
„ Guten Morgen “ , sagte sie leise. Am liebsten wollte sie ihm seine Struwwelfrisur noch mehr durcheinanderbringen. Ob seine winzigen Hörner auch verschwunden waren?
„ Guten Morgen “ , flüsterte er, immer noch rot um die Nase. Wollte dich nicht schon wieder erschrecken.
Während Vincent sie anstarrte, als wären ihr Hörner gewachsen, fühlte sie ein Flattern im Magen. Er schien tatsächlich ganz verwa n delt zu sein. Sie erkannte keine spitzen Zähne, keine Krallen , und ein Knurren kam auch nicht aus seiner Kehle.
„ Hunger? “ , fragte sie.
„ Und wie. “
Vincent atmete auf. Noir war nicht wütend auf ihn, weil er sie im Schlaf berührt hatte. Bevor sie allerdings erwacht war, hatte er sie lieber losgelassen. Er hatte ihren Gesichtsausdruck gesehen, als er sie in seiner grauenhaften Gestalt rettete. Er hatte Angst und Abscheu widergespiegelt. Aber nun sah sie ihn anders an. Neugierig. Offen.
Unterschwellig spürte er ihre Befangenheit. Diese Situation, einem anderen so nah zu sein, war neu für sie beide. Sie waren es auch nicht gewohnt, viel mit anderen zu sprechen. Sie hatten immer im Verborgenen gelebt, waren einsame Seelen. Sie hatten wirklich viel gemeinsam.
Ihre nackten Beine berührten sich unter der Decke. Keiner traute sich, sie zurückzuziehen. Allerdings bewegten sich Noirs Zehen leicht. Sie kitzelten sein Schienbein. Es kribbelte an der Stelle. Am liebsten hätte er sich ihren Fuß geschnappt, um an den Zehen zu saugen. Kaum hatte er das gedacht, zog sie zu seiner Enttäuschung ihr Bein weg. Ihr Kopf blieb allerdings auf dem Kissen liegen, sodass sie sich immer noch sehr nah waren.
Noir räusperte sich. „ Was isst ein Gargoyle denn so am Morgen? “
„ Ganz normal. Was du auch isst. “
Hastig strich sie sich die Haarsträhne hinters Ohr, die er
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