Herzen im Feuer
amüsierten.
Am nächsten Morgen nieselte es, und der Himmel war grau, als sich die Trauergäste um das offene Grab auf dem Russian Hill versammel- ten. Hier, in jenem Land, das ihm unvorstellbare Reichtümer verspro- chen hatte, fanden Brendan O’Flynns sterbliche Überreste ihre letzte Ruhestätte.
Mara verfolgte die Zeremonie unbeweglich wie eine Statue, gekleidet in schwarze Seide. Ihr Gesicht lag unter einem dichten schwarzen Schleier. Nur ihr Cape flatterte manchmal im Wind. Paddy stand mit traurig gesenktem Kopf neben ihr und hatte seine kleine Hand in ihre gelegt. Er verfolgte das Geschehen mit gerunzelter Stirn und lauschte
aufmerksam der dröhnenden Stimme des Priesters, ohne die lateini- schen Worte zu verstehen. Jamie heulte an seiner Seite in ihr durchnäß- tes Taschentuch. Jetzt sah sie wirklich alt aus.
Aber als Mara über das Grab hinwegschaute, stieg beinahe unzähm- bare Wut in ihr auf. Dort stand, für alle Welt sieht- und hörbar, ganz in Schwarz gekleidet, Molly O'Flynn, die trauernde Witwe. Hinter ihrem Schleier begannen Maras Augen vor Wut zu brennen. Zum erstenmal, seit sie an Brendans Totenbett gestanden hatte, wurde sie von ihren Gefühlen übermannt. Unbewußt verstärkte sie den Griff um Paddys Hand, als sie voller Abscheu beobachtete, wie Molly laut zu schluchzen begann. Jacques d'Arcy tätschelte ihr besänftigend, vielleicht aber auch warnend den Arm, da die Stimme des Priesters in ihrem lauten Gejam- mere unterzugehen drohte. Als die Grabrede beendet war, beugte sich Mara mit zitternden Knien nieder, hob eine Handvoll feuchter, damp- fender Erde auf und warf sie auf den Sarg, die Augen fest in das tiefe, schwarze Loch gerichtet. Sie begann zu schwanken, doch im gleichen Moment wurde sie von einer starken Hand gestützt, und der Schwede führte sie vom Grab weg. Ohne sich noch einmal zu Molly umzudre- hen, ließ sich Mara von ihm und Jenny zur Pension zurückbegleiten.
Am Fuß der Treppe wandte sich Mara zu den beiden um und drückte ihnen die Hand. »Sie waren so freundlich zu uns. Ich werde Ihnen das nie vergessen - niemals. Ohne Sie hätte ich das nicht geschafft. Aber jetzt möchte ich allein sein, wenn Sie gestatten.« Maras Gesicht war unter dem schwarzen Schleier weiß wie Elfenbein.
»Kann ich bei Paul und Gordie bleiben?« fragte Paddy hoffnungs- voll. Maras düstere Gestalt und ihre ernste Miene machten ihm angst. »Ich bin auch ganz ruhig.«
»Es wird dem Kleinen guttun, wenn er eine Weile vergißt, Mara«, unterstützte der Schwede seinen Wunsch. »Ich werde auf die Jungs aufpassen.« Besorgt sah er, wie sie sich erschöpft ans Geländer lehnte. »Gehen Sie hinauf, Mara. Sie haben dringend Schlaf nötig. Hier unten ist alles in Ordnung.«
Er gab Jamie ein Zeichen, aber deren Nase steckte tief in ihrem Taschentuch. Sie schien selbst kaum den Weg hinauf zu finden und war keinesfalls in der Lage, Mara zu helfen.
Schließlich griff Jenny ein. Sie scheuchte den Schweden und die Kinder in den Salon, ermahnte sie eindringlich, ja leise zu sein, und führte dann Mara und Jamie nach oben.
»Sehen Sie nach Jamie, ich komme schon zurecht«, sagte Mara, als sie ihren ruhigen Raum betrat.
Dann legte sie sich aufs Bett und starrte an die Decke. Was sollte sie jetzt tun? Bis jetzt war immer Brendan für sie dagewesen. Oder sie hatte wenigstens gewußt, daß er dasein würde, wenn sie ihn brauchte. Jetzt war er fort. Nie wieder würde er grinsend zur Tür hereinspazie rt kommen und ihr einen neuen tollkühnen Plan unterbreiten. Brendan hatte immer so zuversichtlich gewirkt. Ein Leben ohne ihn hatte sie sich gar nicht vorstellen können.
Sie fühlte sich so leer, daß es fast körperlich schmerzte. Müde rieb sie sich die Augen und wünschte, all das aus dem Gedächtnis streichen zu können. Doch das war unmöglich, denn sie mußte bald entscheiden, wie ihr Leben weitergehen sollte. Mara lächelte traurig. Mit seinem letzten genialen Plan hatte Brendan es zu Wohlstand und Reichtum gebracht. Wenigstens hatte sie keine Geldsorgen. Sie mußte sich eher Sorgen darum machen, wie sie das Geld ausgeben sollte, dachte Mara müde. Dann rollte ihr Kopf zur Seite, und sie fiel nach Tagen endlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Jenny schlich sich auf Zehenspitzen rückwärts aus Maras Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Dann trug sie das Tablett wieder hinunter. Schlaf war für Mara jetzt wichtiger als Essen.
»Geht es ihr nicht gut?« fragte der Schwede prompt, als er Jenny mit
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