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Herzen im Feuer

Herzen im Feuer

Titel: Herzen im Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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beinahe an den alten Brendan.
    »Nicht, bis du wieder ordentlich trinken kannst, mein Lieber«,

erklärte sie ihm. »Ich würde einem anständigen Iren nicht nur einen einzigen Schluck vorsetzen wollen.«
    »Ich bin so müde, Mara«, stöhnte Brendan. »Mir tut alles weh. Hat mich jemand verdroschen, ohne daß ich es gemerkt habe?« Ein Husten, das in seiner Brust rumorte, stieg durch seine Kehle auf. Plötzlich lag braunroter Auswurf auf dem Kissen.
    Mara wrang ein frisches Tuch über der Schüssel neben dem Bett aus und versuchte, seine Stirn mit dem feuchten Lappen zu kühlen.
    Brendans Blick verlor sich in der Ferne. »Ich hatte kei ne Ahnung, daß es soviel Spaß machen kann, Geld auszugeben. Weißt du, Schwe- sterherz, ich werde mir neues Gold aus der Sierra holen. Ich weiß, wo ich suchen muß«, verkündete er und fuhr dann verträumt fort: »Und dann gehen wir nach Irland zurück. Ich würde gern unser altes Haus kaufen. Natürlich ist es für uns zu klein. Wie wäre es, wenn unser Vater seinen Besitz verkaufen müßte und wir, seine illegitime Brut, würden ihn kaufen? Das wäre nur gerecht, denn schließlich mußten wir seinet- wegen all das durchmachen.« Brendan seufzte. »Ach, es wird wunder- bar werden, mein Liebling. Warte nur, dein Bruder wird dir all deine Wünsche erfüllen, wie er es dir versprochen hat. Wir werden leben wie die Könige, ganz bestimmt. Ich sehe mich schon in London. Wir werden ein Stadthaus am Grosvernor Square besitzen und ein kleines Landhaus in Bath - du weißt, während der Saison trifft man sich dort. Und um die Pferde in unserem Stall wird uns ganz London beneiden. Wir werden jeden Morgen durch die Rotten Row ausreiten, und für dich finden wir einen netten Duke oder einen Earl, Mara. Ach, Schwe- sterherz, und wir werden nie wieder Geldsorgen haben; die Leute werden sich nach mir umdrehen und sagen: >Da geht Brendan O'Flynn, ein wahrer Gentleman<«, krächzte er atemlos. Dann schloß er mit einem zufriedenen Seufzen die Augen.
    Mara steckte die Decke unter seiner Schulter fest und strich die weichen Locken, die sie so sehr an Paddy erinnerten, aus seiner Stirn. Sie küßte ihn sacht auf die Schläfe und sank dann zurück in ihren Stuhl neben seinem Bett. Sie nahm das Buch wieder auf, das sie gelesen hatte, und versuchte, sich darauf zu konzentrieren. Aber sie war nicht bei der Sache. Bald schlief sie ein, das Buch immer noch auf dem Schoß.
    Plötzlich erwachte sie. Das Schlagen ihres Herzens schien das einzige Geräusch im Zimmer zu sein. Es dämmerte schon. Fahles Licht fiel durch den Vorhangspalt, und von der Straße drangen bereits morgend-

liehe Geräusche herauf, aber im Raum selbst war es unnatürlich still. Ängstlich blickte Mara auf Brendans Gesicht. Er war tot.
    Doch immer noch lag ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht. Mara stand auf und schaute mit unbewegter Miene auf ihn herab. Sie schluckte schwer und flüsterte ein letztes Mal seinen Namen.
    So stand sie immer noch, als Jamie eine halbe Stunde später herein- kam. Die alte Frau wußte sofort, was geschehen war, als sie in Maras Gesicht sah. Sie schluchzte laut auf und schaute zwischen Bruder und Schwester hin und her, die beide so unnatürlich ruhig waren.
    Jamies Jammern riß Mara aus ihrer Lethargie. Sie fand wieder in die Gegenwart zurück und betrachtete ein letztes Mal voll Liebe das Ant- litz ihres Bruders. Dann zog sie die Decke über sein Gesicht und ging aus dem Zimmer. Ohne einen einzigen Blick zurück schloß sie die Tür.
    Eine Irin verbarg ihren Schmerz. Während der Totenwache vor Brendan O’Flynns Beerdigung kamen all seine Freunde, um ihr Beileid auszusprechen. Viele von ihnen waren ebenfalls Iren und blieben über Nacht, um zusammen mit ihr die letzte Wache zu halten.
    Mara zweifelte nicht daran, daß viele der Trauergäste sie neugierig beobachteten und insgeheim Vermutungen über sie anstellten, denn sie saß in eisigem Schweigen während der ganzen Totenwache. Sie lächelte oder weinte nicht und sprach nur sehr selten. Brendan war sehr beliebt gewesen, und er wäre stolz über den Abschied gewesen, den ihm seine Freunde zuteil werden ließen. Einige der Trauergäste sahen allerdings so ausgezehrt aus, daß sie, wie Mara vermutete, ihm über kurz oder lang nachfolgen würden. Sie stolperten betrunken aus der Tür, ein Lied auf den Lippen, das sie während der Totenfeier gesungen hatten. Denn bei einer irischen Totenwache war es Brauch, daß sich alle - bis auf den Toten -

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