Herzen im Feuer
und der Schwede winkte ihm. »Können Sie uns mitnehmen?«
Als der Mann nickte, eilten sie hinüber. Kurz darauf rollte der Wagen direkt auf den Brand zu, ohne daß sie sich Gedanken darüber gemacht hätten, was der Kutscher dort wohl wollte. Wenigstens nicht, bis ihnen ein paar Wagen entgegenkamen, vollbeladen mit allem nur möglichen Kram. Die. Plünderer waren bereits bei der Arbeit und pickten sich aus den Ruinen alles noch Verwertbare heraus.
Je näher sie dem Feuer kamen, desto größer wurde die Hitze, bis sie schließlich unerträglich wurde. Die Augen begannen zu tränen, und der Qualm, der über der Stadt lag, ließ sie husten. Als sie nahe genug am Brandherd waren, sprangen sie vom Wagen. Sie legten keinen Wert darauf, als Plünderer erschossen zu werden. Einen Augenblick darauf krachten glühende Balken auf die Straße, und die ohnehin nervösen Pferde scheuten. Hastig brachte sich die kleine Gruppe am Straßenrand in Sicherheit. Eine Minute später kamen die Pferde mit rollenden Augen wieder vorbeigeprescht, die brennenden Überreste eines Wa- gens hinter sich herschleifend.
Um sie herum stürzten die Gebäude in sich zusammen. In der Ferne waren Explosionen zu hören, wo die verzweifelten Feuerwehrleute eine Feuerschneise zu legen versuchten. Doch der Versuch war vergeb- lich, denn ein frischer Nordwestwind trieb die Flammen in die am dichtesten besiedelten Viertel der Stadt. Sie kamen an den ausgebrann- ten Ruinen von Restaurants und Hotels vorbei. Nur Stapel geschmol zenen Bestecks und geschmolzenes Glas waren von der einstigen Pracht übriggeblieben.
Hunderte bevölkerten inzwischen die Straßen. Manche riefen um
Hilfe, andere stöhnten vor Schmerzen, da sie sich bei dem Versuch, ihr Hab und Gut vor dem Feuer zu retten, Verletzungen zugezogen hatten. Der Himmel war von einer fetten schwarzen Rauchwolke überzogen, die sich über die ganze Stadt erstreckte und auf der sich der Feuerschein wie ein falscher Sonnenaufgang spiegelte. In der Luft lag der atembe- raubende Schwefelgestank der Explosionen, mit denen man versuchte, den Brand einzudämmen. Die Wasservorräte waren längst zur Neige gegangen, und so mußten die Menschen hilflos mit ansehen, wie ein Gebäude nach dem anderen der gefräßigen Feuersbrunst zum Opfer fiel.
Sie arbeiteten sich den Hügel hinauf, durch die panischen Menschen- massen hindurch, die in Richtung Hafen flohen. Der Wind wurde stärker, je weiter sie hinaufkamen. Mit einem erleichterten Aufschrei sah Mara das kleine, einfache Gebäude noch unbeschädigt vor den hellen Flammen stehen.
Der Schwede bildete die Vorhut und öffnete die Tür, Paddy immer noch auf seinen Schultern. Mara und Nicholas folgten ihm auf den Fersen. Als sie die Eingangshalle betraten, hastete der Schwede bereits die Stufen hinauf, und seine Rufe dröhnten durch das ganze Haus.
Jenny erschien am oberen Treppenabsatz, Peter in ihren Armen, dessen kleiner roter Kopf von einer Kapuze geschützt wurde. Gordie und Paul drängelten sich an sie, die Arme voll mit ihren wichtigsten Besitztümern. Auch Jamie tauchte hinter ihnen auf. Ihr Arm lag in einer professionell geknoteten Schlinge, und als sie über das Geländer spähte und Paddy erblickte, leuchtete ihr faltiges Gesicht.
»Kommen Sie, wir müssen hier raus«, drängte der Schwede und geleitete die bepackte Gruppe die Treppen herunter. »Oben auf dem Hügel ist es sicherer.«
Jenny gelang trotz ihrer Wunden ein Lächeln, als sie Paddy und den Schweden sah. Der Schwede scheuchte alle aus der Pension heraus. Jenny warf einen letzten traurigen Blick auf ihr Heim, dann stiegen sie langsam hügelaufwärts.
San Francisco brannte bis in die frühen Morgenstunden. Erst als die Sonne blutrot über der Stadt aufging, wurde das Ausmaß der Zerstö- rung offenbar. Der Brand hatte sich gelegt, und die Menschen kehrten zu ihren Häusern zurück, in der Hoffnung, daß sie noch standen. »Wir haben unser Schiff verpaßt«, sagte Mara plötzlich, als sie ihren
Blick über die Bucht schweifen ließ und die vielen Masten der Segler sah. »Es hat gestern Nacht abgelegt. Ich habe es völlig vergessen.«
»Sie brauchen nicht mehr zu fahren, Mara«, beruhigte sie der Schwede. »Die Gefahr ist gebannt, und Sie haben Paddy wieder.«
Mara schüttelte den Kopf. Sie glaubte nicht, daß alles überstanden war, denn ihr war Mollys Drohung noch im Gedächtnis. »Aber wie lange? Ich kann nicht immer zu Ihnen laufen, Schwede, wenn ich Hilfe brauche. Molly wartet nur auf
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