Herzen im Feuer
sie ihre Finger gegen die Schläfen und versuchte, das Pochen unter der Haut zu dämpfen. Seit ihrer Ankunft auf dem Rancho Villareale hatte sie mit Kopfweh zu kämpfen, erkannte Mara verwirrt. Wahrscheinlich war das auf die nervliche Anspannung zurückzuführen.
Don Andres schaute von seinem Teller auf und führte eine weitere Gabel voll Fleisch zu seinem Mund, als Doña Ysidora ihn nach seinem täglichen Ritt über den rancho befragte.
Don Andres zuckte mit den Achseln und kaute bedächtig, bevor er antwortete: »Es fehlen wieder hundert Stück Vieh, und eine weitere Familie hat sich auf dem Land zwischen uns und der Casa Quintero niedergelassen.«
Doña Ysidora seufzte ungeduldig und quittierte diese Antwort mit einem Blick zum Himmel. »Und was unternimmst du dagegen, An- dres?« fragte sie zornig. »Du sitzt hier und frühstückst in aller Ruhe.«
»Und was soll ich dagegen unternehmen, madre?« fragte er müde zurück. »Das Vieh ist weg. Viele Rinder wurden gleich auf der Weide geschlachtet; die Kadaver hat man den Geiern überlassen. Und wie soll ich mit meinen zwei oder drei vaqueros die Besetzer von meinem Land
vertreiben? Soll ich die Frauen und Kinder erschießen, madre? Sie lassen sich durch keine Drohung zum Verschwinden bewegen. Und bei wem soll ich mich beklagen? Bei den amerikanischen Richtern? Glaubst du, sie würden mir gegen ihre Landsleute beistehen?«
»Das scheint Sie nicht übermäßig zu berühren, Don Luís«, kommen- tierte Brendan neugierig. Er ließ sich auch von dem abweisenden Blick des Kaliforniers nicht einschüchtern. »Ich an Ihrer Stelle würde sofort losreiten, um nachzusehen, ob die Casa Quintero noch steht oder ob sie inzwischen schon niedergerissen wurde.«
»Aber das ist nicht -« setzte Doña Jacinta an, hielt aber inne, als eine Geste ihres Gatten sie zum Schweigen brachte.
»Tatsächlich wollte ich noch heute morgen hinüberreiten. Vielleicht, Don Andres, könntest du dich währenddessen um meine Nichte und um Señor O'Fl... Sullivan kümmern?« fragte Don Luís, wobei er seinen Versprecher mit lässiger Gleichgültigkeit korrigierte.
»Natürlich, Don Luís«, antwortete der ranchero mit einem fragen- den Blick. »Ich verstehe dich zwar nicht, Don Luís, aber wenn du das wünschst...«
»Vielleicht will Doña Amaya mehr von dem rancho sehen, Andres«, schlug Doña Feliciana scheinbar freundlich vor. »Können Sie reiten, Doña Amaya?« fragte sie mit einem zweifelnden Blick. »Der Ausflug wird viele Stunden dauern. Halten Sie das durch?«
Mara lächelte, weil sie die Provokation hinter Doña Felicianas scheinbar so unschuldigen Worten spürte. »Ich glaube schon«, antwor- tete sie und nahm die Herausforderung an, indem sie Doña Feliciana direkt in die Augen sah.
»Ich muß Sie warnen, Doña Amaya. Doña Feliciana hat recht«, wandte Doña Ysidora mit besorgter Miene ein. »Es ist wirklich ein harter Ritt. Sind Sie sicher, daß Sie sich nicht anders entscheiden möchten? Wir hätten alle Verständnis dafür.«
»Nein danke, Doña Ysidora«, antwortete Mara fest. »Irgendwann muß ich mich an dieses Land gewöhnen, und am besten fange ich gleich damit an.«
Eine Stunde später verließ Mara ihr Zimmer und ging durch die Galerie zu den Ställen. Sie trug schwarze Reitkleidung, die aus einem langen, weiten Rock und einer engen Jacke bestand, unter der ein einfaches Hemd zu sehen war. Mara schob sich die schwarze Biber- mütze mit dem kleinen Schleier tiefer ins Gesicht, um ihre Augen von
der grellen Sonne abzuschirmen, als sie aus dem kühlen Patio in den Hof bei den Stallungen trat.
Brendan war bereits aufgestiegen und hatte den unruhigen Paddy vor sich in den Sattel gesetzt. Er fühlte sich offensichtlich nicht besonders wohl, erkannte Mara mitfühlend, aber sie wich Brendans mitleidshei- schendem Blick aus. Paddy konnte unmöglich mit diesen Kaliforniern mithalten, die anscheinend im Sattel geboren wurden, und sie wollte nicht, daß er versuchte, es ihnen nachzumachen. Sogar Kleinkinder ritten hier ohne jede Angst, und der Wind trug ihre Freudenschreie davon.
Mara zuckte überrascht zusammen, als sie Doña Feliciana im Da- mensattel auf einem schwarzweißen Pinto sitzen sah, der unruhig hin und her tänzelte. Sie trug immer noch ihre Trauerkleidung, aber trotz- dem war das scheinbar so schüchterne Mädchen nicht wiederzuerken- nen. Doña Feliciana schien auf dem Rücken ihres Hengstes zum Leben erwacht zu sein, und ihre dunklen Augen leuchteten wagemutig
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