Herzen im Feuer
das?«
»Wegen Raoul und dieser kleinen Ratte Jeremiah«, erläuterte Mara nervös. »Sollten wir das nicht Don Andres erzählen?«
Brendan seufzte. »Erstens geht dich das nichts an. Zweitens habe ich keine Lust, Don Luís vor den Kopf zu stoßen, solange er uns nicht ausbezahlt hat. Ich glaube, er wäre nicht begeistert, wenn er erführe,
daß sein Sohn ein Dieb ist«, erklärte er geduldig. »Nein, ich glaube, wir sollten dieses Geheimnis für uns behalten, Mara. Oder wir sollten wenigstens warten, bis wir diese Information sinnvoll einsetzen kön- nen, zum Beispiel, wenn Don Luís uns nicht bezahlen möchte.«
Mara nickte. Es hatte keinen Sinn, Staub aufzuwirbeln, vor allem, wenn das für sie nur Ärger bedeuten konnte.
Der Abendstern strahlte bereits am Himmel, als die Gesellschaft durch das offene Gatter des rancho ritt. Fackeln flackerten an den adobe-Wänden und warfen lange, tanzende Schatten. Mara zitterte in der kalten Nachtluft.
Sie nahm Paddy in ihre Arme und ging zusammen mit den anderen auf das schmiedeeiserne Tor zu. Als sie einmal aufsah, bemerkte sie, daß sich ein Schatten dahinter bewegte und gleich wieder verschwand. Mit einem unglaublich erleichterten Lächeln sah sie, wie sich kurz darauf das Tor öffnete und Jamie herauskam, um ihr die schwere Last abzu- nehmen.
»Ich hoffe nur, daß Sie mir keinen kranken Jungen heimgebracht haben«, begrüßte Jamie sie mit mißbilligender Miene.
Jamie vertreibt alle bösen Geister, dachte Mara. Sie mußte insgeheim über sich selbst lachen und kam sich kindisch vor. Sie übergab Jamie den schlafenden Paddy, die ihn mit Leichtigkeit davontrug.
»Wahrscheinlich hat er sich vollgestopft und war dann noch den ganzen Tag in der Sonne«, schimpfte sie vor sich hin, während sie durch den dunklen Innenhof stapfte.
Mara schaute sich um, während sie ihr folgte.
»Hast du eigentlich am Tor auf uns gewartet?« fragte Mara, deren unheimliches Gefühl sich nicht abschütteln lassen wollte.
Jamie warf ihr einen Blick über ihre Schulter zu. »Am Tor gewartet? Nein, warum sollt' ich? Ich hab' den ganzen Tag Ihre Kleider gewa- schen. Dann hab' ich das Lachen gehört und gewußt, daß Sie zurück- kommen, deshalb bin ich Ihnen entgegengegangen. Warum?«
Mara zuckte mit den Achseln und lächelte unbedarft. »Ach, nur so. Ich war einfach neugierig, das ist alles«, antwortete sie, als Brendan zu ihnen stieß.
»Wieso neugierig, Schwesterherz?« Es gefiel ihm gar nicht, wenn er aus einer Unterhaltung ausgeschlossen war.
»Es war wirklich nichts«, antwortete Mara sorglos. »Ich dachte nur, jemand hätte am Tor auf uns gelauert, als wir abstiegen.«
»Gelauert, wie?« Brendan lachte. »Das klingt mysteriös. Langsam frage ich mich, ob deine Phantasie nicht etwas zu lebhaft ist, mein Liebling. Jetzt fürchtest du dich schon vor Schatten. Wahrscheinlich war es nur der Fremde«, belehrte er sie beiläufig.
»Noch ein Verwandter?« fragte Mara. Sie waren an Brendans Zim- mer angekommen.
»Keine Ahnung, aber ich bezweifle es. Wann wurde ein Kalifornier je als Fremder bezeichnet? Ich habe ihn noch nicht gesehen. Wahrschein- lich ist er erst heute eingetroffen. Wir werden ihn bestimmt bald kennenlernen, denn wenn ich mich nicht irre, wird die Party gleich beginnen, und sie wird wie immer bis zum Morgengrauen dauern«, prophezeite Brendan, als sie die unmißverständlichen Geräusche sich einstimmender Musikanten hörten.
Eine Stunde später trat Mara ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Mußt du so fest ziehen, Jamie?« stöhnte sie, als die kleine Frau mit starker Hand die schwarzen Bänder ihres Korsetts zu- schnürte, bis die Walknochen in Maras weichen Bauch stachen.
»Sie wollen doch in Ihr Kleid kommen, oder nich'? Gott sei Dank bin ich zu alt für diesen Unsinn«, brummte Jamie angewidert, während sie kritisch Maras eingezwängten Bauch und die vollen Brüste betrachtete, die sich über den Spitzen und roten Bögen abzeichneten, mit denen das Korsett dekoriert war. »Können Sie atmen?«
»Kaum«, seufzte Mara und wand sich in ihrem Gefängnis.
Jamie lächelte zufrieden. »Dann isses eng genug.«
Mara beugte sich vor und zog ihre Seidenstrümpfe mit dem einge- stickten Muster gerade.
»Seien Sie bloß vorsichtig, sonst bekommen Sie Ärger«, warnte Jamie, die mißtrauisch Maras tiefen Ausschnitt beäugte. »Solche Klei- der wurden eigentlich für Frauen gemacht, die nich' allzuviel vorzuwei- sen haben und ein bißchen Hilfe brauchen. Bei Ihnen
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