Herzen im Feuer
sie ihre Liebe zu Nicholas nicht hergeben.
»Hoffentlich hast du recht, und uns bleibt noch genug Zeit«, mur- melte Mara ohne rechte Überzeugung, als sie ihre Pferde wendeten und zur hacienda zurückritten.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Das sprichwörtliche Glück der O’Flynns ist mit uns, ich spüre es genau«, tröstete Brendan sie lachend.
Den ganzen Abend über wich Brendan seiner Schwester nicht von der Seite, so daß Nicholas keine Gelegenheit bekam, sich mit ihr zu unterhalten. Als er es dennoch einmal versuchte, spielte Brendan sich sofort in den Vordergrund, riß die Unterhaltung an sich und fiel den anderen ständig ins Wort. Schließlich wandte sich Nicholas mit einem leichten Achselzucken ab, und für den Rest des Abends mußte sich Mara mit dem Anblick seines breiten Rückens zufriedengeben. Ihre Finger drängten danach, mit den dunklen Locken zu spielen, die über seinen Kragen fielen.
Mara war nicht klar, ob sie damit rechnen sollte, daß jemand nach Mitternacht an ihre Tür klopfen würde, deshalb wußte sie auch nicht, ob sie enttäuscht oder erfreut darüber war, als sich nichts Derartiges ereignete. Sie ignorierte die Tatsache, daß sie sich über eine Stunde lang gekämmt hatte, bis ihr Haar im Kerzenlicht glänzte, und daß sie ihr Lieblingsparfum zwischen ihre Brüste und an ihr Handgelenk getupft hatte. Schließlich gab sie es auf zu warten und blies alle Kerzen aus, außer der einen, die neben ihrem Bett brannte. Als Mara die Decke zurückschlug, bemerkte sie, daß etwas unter ihrem Kissen steckte. Neugierig hob sie es an und entdeckte eine einzelne Rose.
Wie hatte er das geschafft? Wie hatte er sie in ihr Bett geschmug- gelt? Als sie unter die Decke schlüpfte, hörte sie etwas rascheln. Sie tastete danach, bis ihre Hand ein Blatt Papier faßte. Sie lächelte, als sie die schnell hingeschriebene Botschaft las:
Weil ich nicht weiß, ob dein Wachhund auch dein Bett hütet, muß diese eine glückliche Rose heute meinen Platz einnehmen. Bon nuit, ma petite, und träum von mir!
Dieser Teufelskerl, dachte Mara schmunzelnd, hob die Rosenblüte an ihre Nase und atmete tief den betörenden Duft ein. Dann löschte sie die letzte Kerze und kuschelte sich unter ihre Decke. Sie küßte die weichen Blütenblätter und legte die Rose zwischen ihre Brüste. Schließlich rollte sie sich zur Seite und schlief ein, um von Nicholas zu träumen.
Am folgenden Morgen war Mara schon angekleidet, als laute Stim- men von draußen durch ihr Fenster drangen. Neugierig ging sie hin- aus auf den Hof. Vielleicht war ja Don Luís zurückgekehrt.
Auch Brendan war aus seinem Zimmer getreten und stand bereits
am Rande des Patios, von wo aus er interessiert das Schauspiel ver- folgte, das sich ihm darbot.
Als sich Mara ihm näherte, schaute er von dem Apfel auf, den er mit seinem Taschenmesser schälte, und fragte beiläufig: »Was hältst du davon, Schwesterherz?«
Maras Augen wurden groß, als sie die kleine Gruppe musterte, die sich beim Brunnen versammelt hatte. Die faszinierendste Gestalt war Jeremiah Davies, der endlich einmal im Mittelpunkt stand. Alle Augen waren auf ihn gerichtet.
Er trug einen sehr eleganten Gehrock mit Samtkragen und Man- schetten, und als er eine schwere Golduhr aus seiner Tasche zog, konnte Mara das Satinfutter seiner Jacke und die fein gestreifte Seide seiner Weste sehen. Eine Krawattennadel steckte in seinem Halstuch, und an seinen Fingern prangten mehrere Ringe. Ungeduldig schlug er mit dem Ebenholzstock, dessen Achtkopf er fest umklammert hielt, gegen das glänzende Leder seiner Stiefel. Sein strohblonder Kopf steckte jetzt unter einem hohen Seidenzylinder. Erst als Doña Ysidora sich neben ihrem Sohn aufbaute, lüpfte Jeremiah den Hut und ver- beugte sich.
»Man könnte fast meinen«, murmelte Brendan versonnen, »unser guter Jerry hätte eine Erbschaft gemacht. Ich frage mich, wie er plötz- lich zu soviel Geld kommt. Ich wußte gar nicht, daß Viehdiebstahl so lukrativ ist.«
»Du bist offensichtlich nicht der einzige, der sich über seinen plötz- lichen Reichtum wundert«, sagte Mara, der die ungläubigen und ver- wirrten Mienen der Kalifornier nicht entgangen waren. Jetzt hatten sich auch Raoul, Feliciana, Doña Jacinta und andere Gäste zu der Gruppe gesellt.
In Jeremiahs Windschatten warteten zwei aufgetakelte Frauen. Sie trugen schreiend bunte Kleider, die mit Rüschchen und Bändern über- laden waren, und ihre Gesichter waren mit einer dicken Schicht
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