Herzen in Flammen
würden sie das Schiff erwarten. Und mit jedem weiteren Tag, an dem das Schiff nicht kam, würde ihre Angst zunehmen. Wie konnte sie hier glücklich sein, wenn sie wuss te, was ihre Eltern gleichzeitig durchmachen muss ten?
Es war ihr gelungen, noch einmal mit Selig zu sprechen. Sie hatte ihn angefleht abzureisen, irgendwie nach Hause zu gelangen und ihren Eltern wenigstens zu sagen, dass sie nicht in Gefahr war. Er hatte sich nicht nur geweigert, weil er sie hier nicht allein lassen wollte, sondern auch, weil er sicher war, dass Garrick ihn in Stücke reißen würde, wenn er ohne sie nach Hause kam.
Royce bemühte sich sehr, sie aufzuheitern. Dafür liebte sie ihn nur um so mehr. Aber sie konnte ihm nicht sagen, was ihr fehlte, denn er hätte nichts anderes für sie tun können, als sie fortgehen zu lassen, und sie hatte große Angst davor, dass er sogar das getan hätte. Sie war so oder so zum Unglück verdammt. Es hätte sie umgebracht, Royce jetzt zu verlassen, und doch verzehrte sie sich danach, ihre Eltern wissen zu lassen, dass es ihr gut ging. Sie konnte einfach nicht aufhören, an sie zu denken.
Zum ersten Mal in diesem Sommer verließ Royce Wyndhurst. Er war zwei Tage lang fort. Niemand wuss te, wohin er sich begeben hatte, doch bei seiner Rückkehr unterrichtete er Darrelle davon, dass er ihre Hochzeit arrangiert hatte. Sie brach in Tränen aus, weil er ihr nicht sagen wollte, wer der Mann war, und ihr nur versprach, dass sie seine Wahl billigen würde.
Ein einziges Mal konnte Kristen Darrelle nicht vorwerfen, dass sie weinte. Sie wuss te, dass sie eine solche Geheimniskrämerei in so wichtigen Angelegenheiten nicht mitgemacht hätte. Und doch beharrte Royce darauf, Darrelle brauche Zeit, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass sie verheiratet wurde, ehe sie erfahren sollte, mit wem.
In derselben Nacht sagte sie im Bett zu Royce: »Ich finde es unfair, dass du deine Cousine derart in der Luft hängen lässt . «
Er lachte und war nicht ihrer Meinung. »Du kennst Darrelle nicht. Jetzt, in diesem Augenblick, wird sie mit ihrer Zofe dasitzen und eine Liste aller Männer anfertigen, die sie kennt, und sie werden sich fragen, welcher von ihnen ihr Gemahl wird. Statt sich Sorgen zu machen, weil sie von hier fortgehen wird, wird sie sich aufgeregt fragen, wohin sie wohl gehen wird. «
»Du glaubst nicht, dass sie deine Wahl fürchtet?«
»Ich habe ihr gesagt, dass sie meine Wahl billigen wird, und sie weiß, dass sie darauf vertrauen kann. Sie ist jetzt rasend ungeduldig. Bist du auch ungeduldig, wenn ich dir sage, dass ich für dich auch eine Überraschung parat habe?«
Kristen zog eine Augenbraue hoch. »Eine Überraschung, die du mir auch nicht erzählen willst?« Zur Antwort grinste er nur. »Ich kann geduldig warten, glaube ich, wenn du mir sagst, wann du mir Näheres erzählen wirst.«
»Alles zu seiner Zeit. «
Kristen schlief in jener Nacht wesentlich unbeschwerter ein als schon seit langer Zeit. Wenn Royce mit seinen Geheimnissen etwas erreicht hatte, dann nur, dass es ihm gelungen war, sie von ihrem Kummer abzulenken.
42
Ein böser Stich weckte Royce aus seinem Schlummer. Er wollte das lästige Insekt von seinem Hals verjagen. Seine Finger trafen statt dessen auf kalten Stahl; die scharfe Spitze des Dolches press te sich noch fester auf seinen Hals und ließ ihn die Hand zurückziehen.
Es war kein Traum. Er spürte Kristen, die sich dicht an seine linke Seite schmiegte und eine Hand auf seine Brust gelegt hatte. Der Stich, der von rechts kam, war zu real. Er konnte seinen Angreifer im Dunkeln nicht sehen, aber es war dem Mann gelungen, sich klammheimlich in sein Zimmer zu schleichen und ihm nach dem Leben zu trachten. Da niemand in Wyndhurst auf diesen Gedanken gekommen wäre, muss te er zu dem naheliegendsten Schluss kommen: Die Wikinger waren entkommen. Und wenn sie in sein Zimmer gelangen konnten, waren dann unten längst alle tot?
Kristen hatte geschworen, es käme zu keinem Gemetzel, sie würden einfach fliehen, wenn sich ihnen die Gelegenheit bot. Waren sie vielleicht nur da, um sie zu holen? Er würde nicht zulassen, dass sie sie mitnahmen. Vorher muss ten sie ihn umbringen. Ihm wurde klar, dass das nicht allzu schwierig wäre, so, wie die Dinge standen.
»Kannst du verstehen, was ich sage?«
Seine Brust schnürte sich zusammen. Allerdings konnte er das heisere Flüstern verstehen. Es war keine Wikingersprache, sondern eine keltische. Gaelan? Nein, die Stimme war nicht
Weitere Kostenlose Bücher