Herzen in Flammen
sah sie nichts als Leichen. 0 Gott, sie hatte nicht geglaubt, dass es so ausgehen würde! Sie sah ihren Cousin Olaf seltsam gekrümmt daliegen ... und all dieses Blut. Selig! Wo war Selig?
Sie zwang sich, ihren Blick vom Boden zu lösen, der mit Toten übersät war, und nach vorn zu schauen, wo die Schlacht noch im Gange war. jetzt nahm sie die Angreifer zur Kenntnis und konnte nicht glauben, dass diese kleinen, drahtigen Männer soviel Schaden angerichtet hatten, denn allzu viele von ihnen waren nicht zu sehen; doch ihr fiel auf, dass sie nicht alle so klein waren. Einer war sogar wesentlich größer als sie, und er kämpfte gegen ... Selig! Gott im Himmel, er war nicht der einzige, der ein Schwert gegen ihren Bruder schwang.
Sie wollte auf ihn zulaufen, um ihm zu helfen, doch ein kleiner Mann stürzte sich auf sie und schnitt ihr mit einem wüsten Schrei den Weg ab. Sie hatte es nicht etwa gegen ein Schwert aufzunehmen, sondern wurde mit einem langen Speer angegriffen, den sie flink in zwei Stücke hackte, und in dem Moment, in dem sie ihr Schwert gegen den Mann erhob, floh er.
Da sie die Orientierung verloren hatte, wirbelte sie rasend herum, um Selig zu finden, und dann schrie sie auf, denn als ihr Blick gerade auf ihn fiel, stürzte er zu Boden, und der große Mann, gegen den er gekämpft hatte, zog ein blutiges Schwert zurück. Sie war außer sich und raste auf ihn zu, ohne den Mann aus den Augen zu lassen, der ihn hingestreckt hatte.
Kristen schlug blind auf den Mann ein, der rechts von ihr auftauchte, um mit ihr zu kämpfen; und er blieb bald zurück. Dann war sie angelangt und stand vor dem Mörder ihres Bruders und wehrte seinen ersten Hieb ab. Ihre Blicke trafen einander, ehe ihr Schwert in sein Fleisch eindrang. Sie bemerkte, dass seine blauen Augen sichtlich größer wurden, als sie ihr Schwert herauszog, doch das war das letzte, was sie sah.
6
Eine einzelne Kerze tauchte das kleine Zimmer in gedämpftes Licht. Ein schmales Bett stand an einer Wand und hatte an seinem Fußende eine große Truhe. An der gegenüberliegenden Wand hing ein großer Wandbehang, der ein Feld mit Sommerblumen und jauchzenden Kindern zeigte. An einer anderen Wand war ein auf Hochglanz polierter stahlartiger Spiegel angebracht, und auf einem schmalen Regal darunter waren edelsteinbesetzte Haarnadeln und Hornkammetuis, aber auch winzige farbige Fläschchen mit Blumendüften aufgereiht. Davor stand ein dick gepolsterter Schemel.
In einer Ecke des Gemachs stand ein großer, geschnitzter Holzständer mit vielen Haken auf jeder Höhe. Er war an sich schon eine Zierde, doch an ihm hingen hauchdünne Schleier und verschiedenfarbige Bänder. Vor dem einzigen Fenster hingen Streifen leuchtend gelber Seide, die reinste Verschwendung eines derart kostspieligen Materials. Zwei hochlehnige Stühle standen an einem runden Tisch mit einer bemalten Keramikvase, in der rote Rosen steckten.
Über die Stühle waren derzeit die Kleider der beiden Menschen drapiert, die im Bett lagen. Es war das Gemach der Frau, Corliss von Raedwood, einer zartgliedrigen Schönheit von einundzwanzig Jahren, die auf ihre üppige rotgoldene Lockenpracht und ihre schokoladenbraunen Augen recht stolz war.
Corliss war die Verlobte des Mannes, der bei ihr lag, Royce von Wyndhurst, einer der Edelmänner König Alfreds. Vor vier Jahren war ihm ihre Hand angeboten worden, doch er hatte sie zurückgewiesen. Im vergangenen Winter war sie ihrem Vater auf die Nerven gegangen und hatte ihn beschwatzt, wie es nur eine geliebte Tochter kann, ihm noch einmal ihre Hand anzubieten, und diesmal hatte er angenommen. Doch sie wuss te, dass er nur eingewilligt hatte, weil es ihr gelungen war, Lord Royce in ihr Gemach zu locken, und dort hatte sie sich ihm an den Hals geworfen, und er, der vom Festmahl ihres Vaters betrunken war, hatte sie genommen.
Für Corliss war es kein großes Opfer gewesen, sich Royce in jener Nacht hinzugeben, denn sie war vor ihm schon mit einem anderen Mann zusammen gewesen, aber sie hoffte, dass er es nicht bemerkt hatte. Allerdings war es nur ein einziger Mann gewesen, denn nach diesem ersten Mal hatte sie entschieden, dass diese Seite der Beziehungen zwischen Mann und Frau ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack war. Dennoch wuss te sie, dass sie die Zähne zusammenbeißen und es oft über sich ergehen lassen muss te, wenn sie erst mit Royce verheiratet war.
Es war ein Zeichen ihrer Entschlossenheit, dass Corliss sich trotz ihres Widerwillens gegen
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